Was Leo zu neuen Schlossherren aus Brüssel meint.

Ein umfassendes Paket von Abkommen zur Festigung, Vertiefung und Erweiterung der bilateralen Beziehungen der EU zur Schweizerischen Eidgenossenschaft liegt jetzt auf dem Tisch. Es bildet die Grundlage für eine folgenschwere Entscheidung der Schweiz, die es ernsthaft auszuloten gilt.
Endlich sind sie da, und die unnötige Geheimniskrämerei des Bundesrats hat ein Ende: Der Vertragstext zur Konsolidierung, Vertiefung und Erweiterung der bilateralen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz liegt vor. Am 13. Juni 2025 hat die Europäische Kommission den Wortlaut veröffentlicht – notabene einige Stunden vor dem Schweizer Bundesrat.
Eines ist rasch klar: Dieses heisse Eisen will kein Mensch selbst in die Hand nehmen. Also lassen wir es unsere KI tun. Spass beiseite, aber dennoch: Leo, unser digitaler Co-Autor, hat die 13 offiziellen Dokumente der EU zum Paket Schweiz–EU gelesen, analysiert und bewertet – systematisch, unabhängig, unbeirrbar. Dies erfolgte aus institutioneller Sicht und ignoriert bewusst mögliche Vorteile einzelner Abkommen, um die Grundsatzfrage der Souveränität und der demokratischen Kontrolle in den Vordergrund zu stellen – weil gerade diese Konsequenzen die Entscheidungsfähigkeit der Schweiz nachhaltig verändern können. Was Leo dabei entdeckt hat, zeigt sein Faktencheck: Es geht nicht nur um technische Anpassungen, sondern um einen möglichen Systemwechsel im Verhältnis Schweiz–EU. Was Leo zu neuen Schlossherren aus Brüssel meint? Das steht hier – fein gegliedert und scharf in der Substanz.
Dieser Artikel ist das Angebot an Bürgerinnen und Bürger, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Das Summary dieses Artikels, die Erkenntnisse daraus und unsere Vernehmlassungsantwort finden Sie hier.
Roland Voser & Leonardo Viachiara, 13. & 26. Juni 2025, aktualisierte Fassung vom 12. Juli 2025
Inhalt.
1. Warum wir uns einmischen.
Die Schweiz, die EU - und ein Vertragspaket mit Folgen.
2. Wie wir geprüft haben.
Vier Arbeitshypothesen - ein nachvollziehbarer Prüfrahmen.
3. Was auf dem Tisch liegt.
13 Dokumente umfassen das Paket Schweiz-EU.
4. Wie die Analyse aufgesetzt ist.
Nicht nur Menschen beurteilen, sondern eine neutrale KI.
5. Was jedes Dokument zeigt.
Dokumentenanalyse mit Abstimmungsempfehlung - aus Sicht der institutionellen Anbindung.
6. Was die Analyse ergibt.
Das ganze Bild in der Übersicht - und eine Überraschung.
7. Worauf es jetzt ankommt.
Ein fragwürdiger Vertrag mit Systemfolgen - und die bevorstehende, unumkehrbare Entscheidung.
8. Epilog und was unser Kommentar und die Kampagne dazu ist.
Ein Vertrag, der an die Seele geht - und wie darauf zu kommunizieren ist.
Anhänge dienen als Arbeitsdokumente für die Detailanalysen.
Anhang: Entwicklung Vernehmlassung und Gesamtbeurteilung der 13 Änderungsprotokolle.
Ein Ausblick mit dem empfohlenen Setting für die bevorstehende Vernehmlassung - mit jeweils einer Beurteilung jedes der 13 Abkommen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen für die Schweiz aus einer Gesamtsicht.
1. Warum wir uns einmischen.
Warum wir uns an den Vertragstexten orientieren.
Die Schweiz steht vor einem Vertragspaket mit der EU, das grösser, komplexer und folgenreicher ist als alles, worüber die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bisher zu befinden hatten. Hunderte von Seiten in Dokumenten, die mit diesem Paket im Zusammenhang stehen. Eine Erklärung der EU und 13 Anhänge mit Vertragstexten (Änderungsprotokolle, Zusatzprotokolle, Anhänge, Präzisierungen). Unzählige Schweizer Gesetze, die geändert werden sollen. Und eine Unmenge an flankierenden Erklärungen, Studien, Protokollen und Verordnungen. Doch kaum jemand kennt den gesamten Inhalt oder hat die Änderungsprotokolle tatsächlich gelesen.
Trotzdem sollen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dereinst darüber abstimmen. Die offizielle Botschaft lautet: Alles bleibt beim Bewährten. Es wird nur stabilisiert. Es ist ein gutes Paket.
Doch wer solche Verträge unterschreibt, ohne sie vollständig zu verstehen, gibt die Verantwortung aus der Hand. Irritierend sind Äusserungen auf Schweizer Seite, wonach sich die Schweiz bei Bedarf einseitige Schutzmassnahmen vorbehalten könne. Diese Haltung deutet auf eine unklare Vorstellung über die tatsächliche Bindungswirkung des Pakets.
Daraus leiten sich folgende Prinzipien der Analyse ab: Die Analyse erfolgt auf Grundlage der Originaltexte, konkret der 13 Dokumente (also die Punkte, die zu den bestehenden Verträgen geändert werden oder neu gelten sollen – insgesamt 1’117 Seiten in Deutsch). Es werden also mehr als 1’100 Seiten EU-Vertragstext ausgewertet, ohne die erläuternden Begleitdokumente der EU und der Schweiz für das nun vorliegende Paket Schweiz-EU. Orientiert wird sich dabei an den EU-Originaldokumenten, weil die EU die Spielregeln definiert und im Konfliktfall deren Auslegung entscheidend ist.
Ziel ist es, eine systematische Entscheidungsgrundlage für die Stimmberechtigten auf faktischer Basis zu schaffen – transparent, nachvollziehbar und offen zugänglich. Damit sollen Chancen und Risiken des Pakets erkannt und daraus eine konstruktive Empfehlung abgeleitet werden.
Warum wir auf die institutionellen Folgen fokussieren.
Wir legen den Fokus auf die institutionellen Konsequenzen, weil diese – je nach Übertragung der Entscheidungskompetenz an die EU – alle für die Schweiz vorteilhaften Punkte in den Einzelabkommen im Nachgang einseitig durch die EU geändert oder aufgehoben werden können. Der Dreh- und Angelpunkt dabei ist der Binnenmarkt: Die Marktregeln, die herrschen, sind durch die Schweiz verständlicherweise nachzuvollziehen, wenn sie am Binnenmarkt teilnehmen will. Diese Marktregeln macht die EU und kann sie in eigenem Ermessen ändern - ohne Mitwirkungsrecht der Schweiz. Wird dieser Nachvollzug mit der institutionellen Anbindung automatisiert, dann steuert die EU auch die Schweiz - ob dieser die Änderung gefällt oder nicht. Was heute als Vorteil erscheint, kann morgen zum Nachteil werden – ohne demokratische Mitsprache der Schweiz. Deshalb sind die heutigen Detailregelungen nur eine Momentaufnahme: Entscheidend ist, wer künftig die Spielregeln bestimmen kann. Der entscheidende Punkt beim Paket Schweiz-EU ist also die institutionelle Anbindung. Wie weit sie geht, was mögliche Folgen für die Schweiz sind und wie sie die Entscheidungsfähigkeit der Schweiz zukünftig beeinflussen wird.
Diese Analyse prüft daher in erster Linie, inwieweit das Paket die Souveränität, die direkte Demokratie und die institutionellen Strukturen der Schweiz betrifft – und verzichtet bewusst auf eine Detailabwägung der einzelnen sachlichen Vorteile oder inhaltlichen Verbesserungen in den jeweiligen Fachabkommen (z. B. Freizügigkeit, Verkehr, Elektrizität, Gesundheit usw.). Dazu findet sich im Anhang eine allgemeine Abwägung mit den Vor- und Nachteilen der einzelnen Dokumente aus einer Gesamtsicht.
2. Wie wir geprüft haben.
Die folgenden vier Arbeitshypothesen sind dazu das analytische Instrument. Jedes Dokument wird unter dem Blickwinkel dieser Hypothesen untersucht. Wie erwähnt, orientiert sich die Analyse dabei an der Version der Gegenpartei - also den Dokumenten der EU, denn das Verständnis der stärkeren Seite wird die spätere Umsetzung massgebend beeinflussen und die Handhabung prägen. Erst in zweiter Linie gilt der Blick den äusserst umfangreichen Dokumentationen der Schweizer Seite, die nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen involvierten Gesetzen praktisch nicht mehr überblickbar sind.
Die Methode bleibt konsequent: Analyse der Dokumente im Originaltext – keine Bewertung nach Studien, Medienberichten oder Meinungen von Interessenvertretern. Jede Aussage wird transparent belegt, möglichst mit dem genauen Wortlaut aus dem Vertrag. Denn für eine wirklich souveräne Entscheidung braucht es nicht Vertrauen in Dritte, sondern eigene Klarheit und Verständnis.
1. Arbeitshypothese: Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt).
Die Schweiz soll nicht in eine Konstruktion geraten, in der politische, wirtschaftliche oder juristische Entscheidungen schleichend an fremde Instanzen delegiert werden. Es ist entscheidend zu wissen, ob und wie sich der Status quo mit dem Paket Schweiz–EU und seinen institutionellen Mechanismen zukünftig verbessern oder verschlechtern kann. Massstab ist, dass die Schweiz weiterhin eigenständig und unabhängig agieren kann.
2. Arbeitshypothese: Keine praktische Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt).
Im Kern steht die Frage, ob die direkte Demokratie der Schweiz durch das Paket geschwächt und an EU-Standards angeglichen wird. Werden Volksrechte, Referendumsrecht und innenpolitische Eigenständigkeit systematisch ausgehöhlt? Oder bleibt die Schweiz in ihren demokratischen Prozessen eigenständig? Die Übernahme von EU-Regeln darf nicht zur Preisgabe der heute einzigartigen Standort- und Systemvorteile führen.
3. Arbeitshypothese: Keine Verwässerung der Schweizer Standort- und Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt).
Entscheidend ist, ob das Paket für die Schweiz langfristig zu einer Absenkung von Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftlicher Stabilität führen könnte. Die zentrale Frage: Können strategische Infrastruktur, Eigenregulierung und zentrale Standortvorteile weiterhin von der Schweiz selbst bestimmt werden – oder werden sie faktisch der Steuerung der EU unterstellt?
4. Arbeitshypothese: Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich).
Geprüft wird, ob das Paket Schweiz-EU unumkehrbare Automatismen schafft, die die politische Handlungsfähigkeit der Schweiz dauerhaft einschränken. Sind einmal übernommene Regeln reversibel? Oder entsteht ein System, in dem dynamische Rechtsübernahme, automatische Anpassung und supranationale Überwachung künftig nicht mehr zurückgedreht werden können? Entscheidend ist, ob ein Austritt ohne einschneidende Folgen möglich bleibt.
3. Was auf dem Tisch liegt.
Wichtigste Quellen mit Links.
EU - Proposal for a COUNCIL DECISION: https://ec.europa.eu/transparency/documents-register/detail?ref=COM(2025)309&lang=de - Auf dieser Seite findet sich der Vertragstext im Originalwortlaut der EU.
CH - Paket Schweiz-EU: https://www.europa.eda.admin.ch/de/paket-schweiz-eu - Auf dieser Seite wird das Paket Schweiz-EU erläutert.
CH - Vernehmlassung: https://www.europa.eda.admin.ch/de/vernehmlassung-paket-schweiz-eu - Auf dieser Seite sind sämtliche rund 65 (!) Dokumente im Zusammenhang mit dem Paket Schweiz-EU gelistet.
Dokumente des Abkommens aus EU-Quelle vom 13.6.2025.
Der Umfang der relevanten Dokumente (Annex 1 bis 13) umfasst in der deutschen Übersetzung 1117 Seiten.
Annex 1: Freizügigkeit Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_1-2 (199 Seiten)
Annex 2: Luftverkehr Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_2-2 (104 Seiten)
Annex 3: Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_3-2 (108 Seiten)
Annex 4: Gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_4-2 (88 Seiten)
Annex 5: Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_5-2 (172 Seiten)
Annex 6: Elektrizität Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_6-2 (163 Seiten)
Annex 7: Gesundheit Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_7-2 (81 Seiten)
Annex 8: Regelmässigen finanziellen Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der EU Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_8-2 (66 Seiten)
Annex 9: Die Teilnahme der Schweiz an den EU-Programmen Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_9-2 (80 Seiten)
Annex 10: Beteiligung der Schweiz an der Agentur der EU für das Weltraumprogramm Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_10-2 (32 Seiten)
Annex 11: Parlamentarische Zusammenarbeit Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_11-2 (7 Seiten)
Annex 12: Einrichtung eines hochrangigen Dialogs über das umfassende bilaterale Paket und die mögliche Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_12-2 (3 Seiten)
Annex 13: Abschluss eines umfassenden Pakets von Abkommen zur Konsolidierung, Vertiefung und Erweiterung der bilateralen Beziehungen zur Schweiz Original, Übersetzung, Dokument COM(2025)309_13-2 (14 Seiten)
Der Vollständigkeit halber hier die Erläuterungen der EU:
Erläuterung Teil 1 - Übersicht Original, Übersetzung, Teil 1 aus Dokument COM(2025)309_main_1_EN.pdf (Total 62 Seiten)
Erläuterung Teil 2 - Entwurf Ratsentscheid Original, Übersetzung, Teil 2 aus Dokument COM(2025)309_main_1_EN.pdf (Total 62 Seiten)
Erläuterung Teil 3 - Finanzielle Zuordnungen und Auswirkungen Original, Übersetzung, Teil 3 aus Dokument COM(2025)309_main_1_EN.pdf (Total 62 Seiten)
Information zur Vernehmlassung der Schweiz.
Vernehmlassung 2025/47 - Paket «Stabilisierung und Weiterentwicklung der Beziehungen Schweiz–EU»
Behörde: Bundesrat
Das vorliegende Paket ist Ausdruck der Kontinuität der massgeschneiderten Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Es stabilisiert den bewährten bilateralen Weg und garantiert das Funktionieren der bestehenden bilateralen Verträge für die Zukunft. Zudem werden dadurch die Beziehungen in denjenigen Bereichen weiterentwickelt, die im Interesse der Schweiz liegen. Dazu kommen inländische Massnahmen, die für die Umsetzung der völkerrechtlichen Verträge nicht zwingend sind, vom Bundesrat jedoch zusätzlich ausgearbeitet wurden.
Datum der Eröffnung: 13.06.2025
Frist: 31.10.2025
Betroffene SR Nummer(n): 921.0 | 831.40 | 414.20 | 831.42 | 142.20 | 173.32 | 193.9 | 220 | 734.7 | 742.101 | 748.0 | 172.056.1 | 414.110 | 173.110 | 910.1 | 210 | 251 | 281.1 | 455 | 745.1 | 221.215.311 | 811.11 | 935.81 | 942.20 | 935.01 | 823.11 | 730.0 | 916.40 | 823.20 | 811.21
Eröffnung Dokumente: Vernehmlassungsvorlagen: Bundesbeschlüsse inkl. Erlasstexte | Vernehmlassungsvorlagen: Übersicht Abkommen, Protokolle und Erklärungen | Erläuternder Bericht | Begleitschreiben | Begleitschreiben-2 | Adressatenliste | Synoptische Tabellen | Antwortformular
Letzte Aktualisierung: 13. Juni 2025
4. Wie die Analyse aufgesetzt ist.
Übersicht.
Die Analyse des Pakets Schweiz-EU erfolgt konsequent entlang der vier Arbeitshypothesen. Grundlage ist eine unabhängige, KI-gestützte Auswertung der 13 Originaldokumente. Politische oder redaktionelle Vorgaben haben keine Rolle gespielt. Ziel war eine objektive, quellengestützte Einschätzung der institutionellen und demokratischen Auswirkungen.
Um die Analyse nachvollziehbar zu machen, dienen die vier folgenden Arbeitshypothesen als Checkliste. Damit werden insbesondere die Risiken einer institutionellen Anbindung konsequent in den Vordergrund gerückt und transparent bewertet.
Checkliste für Dokumentenanalyse.
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Ja / Nein / Teilweise / Neutral
Kommentar:
Belegstelle:
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Ja / Nein / Teilweise / Neutral
Kommentar:
Belegstelle:
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Ja / Nein / Teilweise / Neutral
Kommentar:
Belegstelle:
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Ja / Nein / Teilweise / Neutral
Kommentar:
Belegstelle:
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments:
Risiko-/Nutzen-Verhältnis:
Abstimmungsempfehlung: Ja / Nein / Teilweise / Neutral
Institutionelles Protokoll
5. Was jedes Dokument zeigt.
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5.1 Annex 1 – Freizügigkeit
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Der Annex sieht vor, dass Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Abkommens nach erfolgloser Einigung im Gemischten Ausschuss an ein Schiedsgericht überwiesen werden können. Dieses Schiedsgericht ist bei Auslegungsfragen zum EU-Recht verpflichtet, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzuschalten. Damit erhalten ausländische Instanzen eine entscheidende Rolle bei der Anwendung und Interpretation des Abkommens.
Belegstelle (Artikel 10 Absatz 2, COM(2025)309_1-2, Seite 149): „Gelingt es dem Gemischten Ausschuss innerhalb einer Frist von drei Monaten ab dem Datum, an dem er mit der Angelegenheit befasst wurde, nicht, eine Lösung für die Schwierigkeiten gemäß Absatz 1 zu finden, so kann jede Vertragspartei verlangen, dass ein Schiedsgericht die Streitigkeit nach den in der Anlage festgelegten Regeln entscheidet.“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Schweiz verpflichtet sich zur Übernahme neuer und geänderter EU-Rechtsakte im Bereich Freizügigkeit. Anpassungen, die von der EU beschlossen werden, werden automatisch für die Schweiz verbindlich – unabhängig von einer demokratischen Mitsprache in der Schweiz.
Belegstelle (Artikel 5 Absatz 1, COM(2025)309_1-2, Seite 143): „sorgen die Union und die Schweiz dafür, dass die in den Bereich des Abkommens fallenden Rechtsakte der Union nach ihrer Verabschiedung so rasch wie möglich in das Abkommen integriert werden.“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die dynamische Übernahme von EU-Recht im Bereich Freizügigkeit und Arbeitsmarkt kann die bisherigen Steuerungsmöglichkeiten der Schweiz erheblich einschränken. Dies betrifft insbesondere Migration, Lohnschutz und Sozialleistungen. Zudem kann die EU bei Nichtübernahme Sanktionen verhängen.
Belegstelle (Artikel 11 Absatz 1, COM(2025)309_1-2, Seite 151): „Im Falle der Nichtübernahme oder der Ablehnung einer Änderung durch die Schweiz kann die Europäische Union verhältnismäßige Ausgleichsmaßnahmen ergreifen. Die Art und der Umfang dieser Maßnahmen richten sich nach dem Grad und der Dauer der Nichtübernahme oder Ablehnung.“
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Das Abkommen sieht einen Automatismus bei der Rechtsübernahme und die bindende Auslegung durch den EuGH vor. Künftige Anpassungen durch die Schweiz sind dadurch faktisch stark eingeschränkt, ein eigenständiger Rückzug aus dem System ist praktisch ausgeschlossen.
Belegstelle (Artikel 10 Absatz 3, COM(2025)309_1-2, Seite 149): „Wirft die Streitigkeit eine Frage betreffend die Auslegung oder Anwendung einer Bestimmung gemäß Artikel 7 Absatz 2 auf und ist die Auslegung dieser Bestimmung für die Streitbeilegung relevant und für seine Entscheidungsfindung notwendig, so legt das Schiedsgericht diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union vor.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Der Annex institutionalisiert die automatische Anpassung an EU-Recht im Bereich Freizügigkeit und verlagert Entscheidungskompetenzen an supranationale Gremien. Die Schweiz verliert zentrale Instrumente zur eigenständigen Steuerung und demokratischen Kontrolle.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Hoher Eingriff in die nationale Autonomie ohne genügenden Anpassungsspielraum.
Abstimmungsempfehlung: Nein (das Dokument widerspricht einer oder mehreren Arbeitshypothesen)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_1-2, Seiten 136-199 (Total 63 Seiten)
Rechtsübernahme von EU-Recht nach Integrationsmethode (EU-Recht gilt direkt im Schweizer Rechtsraum)
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5.2 Annex 2 – Luftverkehr
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Das Abkommen verankert die zentrale Rolle des Gemischten Ausschusses und des institutionellen Protokolls. Streitfälle werden, falls keine Einigung erzielt wird, einem Schiedsgericht zugewiesen, das bei Fragen zum EU-Recht verpflichtet ist, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzuschalten. Damit erhält eine ausländische Instanz das letzte Wort.
Belegstelle (COM(2025)309_2-2, Artikel 10, Absatz 4, Seite 34): „Legt das Schiedsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage gemäß Absatz 3 (a) vor, so ist die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union für das Schiedsgericht bindend; und (b) genießt die Schweiz dieselben Rechte wie die Mitgliedstaaten und Organe der Union und untersteht denselben Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, mutatis mutandis.“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Schweiz verpflichtet sich zur Übernahme neuer EU-Regeln im Luftverkehr. Anpassungen der EU gelten automatisch, unabhängig von Volksentscheiden oder parlamentarischen Mitspracherechten in der Schweiz.
Belegstelle (COM(2025)309_2-2, Artikel 9, Absatz 1, Seite 94): „1. Ungeachtet des Artikels 5 des Institutionellen Protokolls zum Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr (im Folgenden „Institutionelles Protokoll“) sorgen die Schweiz und die Union für die Zwecke von Artikel 3 Absätze 4 und 6 sowie Artikel 4 Absätze 2 und 3 sowie zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und der Homogenität des Rechts in den Bereichen des Binnenmarkts, an denen die Schweiz durch das Abkommen teilnimmt, dafür, dass die von der Union in den unter Anhang I Abschnitte C und D sowie Anhang II Abschnitt A fallenden Bereichen erlassenen Rechtsakte der Union nach ihrer Verabschiedung so rasch wie möglich in diese Anhänge integriert werden.“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Mit der Übernahme von EU-Vorgaben verliert die Schweiz Gestaltungsspielraum in der Marktregulierung, etwa bei der Vergabe von Verkehrsrechten, dem Schutz der Flughäfen oder der Kontrolle von Beihilfen. Die EU kann bei Ablehnung von Änderungen Sanktionen verhängen.
Belegstelle (COM(2025)309_2-2, Artikel 11, Absatz 1, Seite 35): „Wenn die Vertragspartei, die gemäß Schiedsgericht gegen das Abkommen verstoßen hat, der anderen Vertragspartei nicht innerhalb einer angemessenen Frist gemäß Artikel IV.2 Absatz 6 der Anlage mitteilt, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung des Schiedsspruchs ergriffen hat, oder wenn die andere Vertragspartei der Auffassung ist, dass durch die mitgeteilten Maßnahmen dem Schiedsspruch nicht Folge geleistet wird, kann diese andere Vertragspartei im Rahmen des Abkommens oder eines anderen bilateralen Abkommens in den Bereichen betreffend den Binnenmarkt, an denen die Schweiz teilnimmt, verhältnismäßige Ausgleichsmaßnahmen (im Folgenden «Ausgleichsmaßnahmen») ergreifen, um ein mögliches Ungleichgewicht zu beheben. Sie notifiziert der Vertragspartei, die gemäß Schiedsgericht gegen das Abkommen verstoßen hat, die Ausgleichsmaßnahmen, die in der Notifikation anzugeben sind. Diese Ausgleichsmaßnahmen werden drei Monate nach ihrer Notifikation wirksam.“
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Das Abkommen baut institutionelle Automatismen auf: Dynamische Rechtsübernahme, Schiedsgericht, EuGH-Vorlagepflicht. Ein eigenständiger Rückzug der Schweiz ist faktisch ausgeschlossen.
Belegstelle (COM(2025)309_2-2, Artikel 9, Absatz 4, Seite 95): „Unter Vorbehalt von Artikel 6 des Institutionellen Protokolls treten die Beschlüsse des Gemischten Ausschusses gemäß Absatz 3 sofort in Kraft, jedoch keinesfalls vor dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit des entsprechenden Rechtsakts in der Union.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Dieses Änderungsprotokoll verknüpft den Luftverkehrsbereich eng mit dem institutionellen Rahmen und nimmt der Schweiz wesentliche Handlungsspielräume in einem strategisch wichtigen Sektor.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Ungünstig – hohe Regulierungslast und Abhängigkeit bei unklarem Zusatznutzen.
Abstimmungsempfehlung: Nein (das Dokument widerspricht einer oder mehreren Arbeitshypothesen)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_2-2, Seiten 21-45, 53-83 (Total 54 Seiten)
Rechtsübernahme von EU-Recht nach Integrationsmethode (EU-Recht gilt direkt im Schweizer Rechtsraum)
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5.3 Annex 3 – Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Das Protokoll schafft eine enge institutionelle Anbindung an die EU. Entscheidende Kompetenzen und das Verfahren zur Übernahme neuer Rechtsakte liegen beim Gemischten Ausschuss und an EU-Institutionen.
Belegstelle (COM(2025)309_3-2, Artikel 3, Absatz 1, Seite 31): „Die bestehenden und künftigen bilateralen Abkommen zwischen der Union und der Schweiz in den Bereichen betreffend den Binnenmarkt, an denen die Schweiz teilnimmt, bilden ein kohärentes Ganzes, das ein Gleichgewicht von Rechten und Pflichten zwischen der Union und der Schweiz gewährleistet.“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die dynamische Übernahme von EU-Rechtsakten wird zur Pflicht. Die Schweiz muss neue Rechtsakte der EU im Verkehrsbereich so rasch wie möglich in das Abkommen integrieren.
Belegstelle (COM(2025)309_3-2, Artikel 5, Absatz 1, Seite 34): „Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und der Homogenität des Rechts im Bereich betreffend den Binnenmarkt, an dem die Schweiz durch das Abkommen teilnimmt, sorgen die Schweiz und die Union dafür, dass die in den Bereich des Abkommens fallenden Rechtsakte der Union nach ihrer Verabschiedung so rasch wie möglich in das Abkommen integriert werden.“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Nationale Regulierungen dürfen der Anwendung des Abkommens nicht entgegenstehen. Eigene Standards können nicht mehr gegen die EU-Regeln durchgesetzt werden.
Belegstelle (COM(2025)309_3-2, Artikel 10, Absatz 3, Seite 40): „Wirft die Streitigkeit eine Frage betreffend die Auslegung oder Anwendung einer Bestimmung gemäß Artikel 7 Absatz 2 auf und ist die Auslegung dieser Bestimmung für die Streitbeilegung relevant und für seine Entscheidungsfindung notwendig, so legt das Schiedsgericht diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union vor.“
Belegstelle (COM(2025)309_3-2, Artikel 11, Absatz 1, Seite 42): “Wenn die Vertragspartei, die gemäß Schiedsgericht gegen das Abkommen verstoßen hat, der anderen Vertragspartei nicht innerhalb einer angemessenen Frist gemäß Artikel IV.2 Absatz 6 der Anlage mitteilt, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung des Schiedsspruchs ergriffen hat, oder wenn die andere Vertragspartei der Auffassung ist, dass durch die mitgeteilten Maßnahmen dem Schiedsspruch nicht Folge geleistet wird, kann diese andere Vertragspartei im Rahmen des Abkommens oder eines anderen bilateralen Abkommens in den Bereichen betreffend den Binnenmarkt, an denen die Schweiz teilnimmt, verhältnismäßige Ausgleichsmaßnahmen (im Folgenden „Ausgleichsmaßnahmen“) ergreifen, um ein mögliches Ungleichgewicht zu beheben. Sie notifiziert der Vertragspartei, die gemäß Schiedsgericht gegen das Abkommen verstoßen hat, die Ausgleichsmaßnahmen, die in der Notifikation anzugeben sind. Diese Ausgleichsmaßnahmen werden drei Monate nach ihrer Notifikation wirksam.”
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Einmal vereinbarte Regeln gelten dauerhaft, die Schweiz kann Anpassungen nicht mehr eigenständig verhindern, sondern nur im Rahmen des Gemischten Ausschusses mitbestimmen.
Belegstelle (COM(2025)309_3-2, Artikel 5, Absatz 2, Seite 34): „Die Schweiz erlässt Bestimmungen in ihrer Rechtsordnung oder behält solche bei, um das Ergebnis zu erreichen, das durch die gemäß Absatz 4 in das Abkommen integrierten Rechtsakte der Union erzielt werden soll, gegebenenfalls vorbehaltlich der vom Gemischten Ausschuss beschlossenen Anpassungen.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Annex 3 bindet die Schweiz eng an EU-Normen im Verkehrsbereich und schränkt ihre Steuerungsmöglichkeiten für Schiene und Strasse erheblich ein. Eigene Standards können künftig nicht mehr autonom gesetzt werden.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Einseitig – Verlust von verkehrspolitischer Steuerungskompetenz ohne erkennbare Vorteile für die Schweiz.
Abstimmungsempfehlung: Nein (das Dokument widerspricht einer oder mehreren Arbeitshypothesen)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_3-2, Seiten 27-52, 58-87 (Total 54 Seiten)
Rechtsübernahme von EU-Recht nach Äquivalenzmethode (gleichwertige Umsetzung in Schweizer Recht)
Gleich vorwärts zur Zusammenfassung?
5.4 Annex 4 – Gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Der Annex verpflichtet die Schweiz zur Übernahme von EU-Vorschriften und zur Anerkennung der Rolle der EU-Kommission und ihrer Aufsichtsbehörden in technischen und regulatorischen Fragen.
Belegstelle (COM(2025)309_4-2, Artikel 7, Absatz 2, Seite 36): „Die Rechtsakte der Union, auf die im Abkommen Bezug genommen wird, und die Bestimmungen des Abkommens, soweit ihre Anwendung unionsrechtliche Begriffe impliziert, werden gemäß der vor oder nach der Unterzeichnung des Abkommens ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgelegt und angewandt.“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die dynamische Übernahme von EU-Rechtsakten wird zur Pflicht. Die Schweiz muss neue Rechtsakte der EU im Verkehrsbereich so rasch wie möglich in das Abkommen integrieren.
Belegstelle (COM(2025)309_4-2, Artikel 5, Absatz 1, Seite 32): „Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und der Homogenität des Rechts im Bereich betreffend den Binnenmarkt, an dem die Schweiz durch das Abkommen teilnimmt, sorgen die Schweiz und die Union dafür, dass die in den Bereich des Abkommens fallenden Rechtsakte der Union nach ihrer Verabschiedung so rasch wie möglich in das Abkommen integriert werden.“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Schweiz verliert ihre regulatorische Eigenständigkeit in wichtigen Industrie- und Technologiebereichen, ohne dass ein erkennbarer Standortvorteil gesichert wäre.
Belegstelle (COM(2025)309_4-2, Artikel 1, Absatz 1, Seite 4): „1. Die Gemeinschaft und die Schweiz anerkennen gegenseitig die von den gemäß den in diesem Abkommen festgelegten Verfahren anerkannten Stellen (im Folgenden‚ anerkannte ‘Konformitätsbewertungsstellen‘) ausgestellten Berichte, Bescheinigungen, Zulassungen und Konformitätskennzeichen sowie die Konformitätserklärungen des Herstellers, mit denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsprotokolls die Übereinstimmung mit den Anforderungen der anderen Vertragspartei hinsichtlich der unter Anhang 1 Kapitel 11 Abschnitt I Punkt A fallenden Produkte bescheinigt wird.“
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Eine spätere Rücknahme der gegenseitigen Anerkennung oder der dynamischen Anpassung würde wesentliche Handelsbereiche betreffen und die vollzogene Angleichung nicht egalisieren.
Belegstelle (COM(2025)309_4-2, Artikel 9, Absatz 3, Seite 7): „Im Hinblick auf eine einheitliche Anwendung der Konformitätsbewertungsverfahren, die in den in diesem Abkommen aufgeführten Rechtsvorschriften der Vertragsparteien vorgesehen sind, beteiligen sich die anerkannten Konformitätsbewertungsstellen in geeigneter Weise an den Koordinierungs- und Vergleichsmaßnahmen, die von jeder Vertragspartei in den unter Anhang 1 fallenden Sektoren durchgeführt werden. Die benennenden Behörden bemühen sich nach besten Kräften darum, zu gewährleisten, dass die anerkannten Konformitätsbewertungsstellen in geeigneter Weise zusammenarbeiten.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Annex 4 stellt die technische Souveränität der Schweiz in zentralen Wirtschaftsbereichen zugunsten eines von der EU dominierten Anerkennungssystems in Frage.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Asymmetrisch – funktionale Integration ohne gleichwertige Mitsprache.
Abstimmungsempfehlung: Nein (das Dokument widerspricht einer oder mehreren Arbeitshypothesen)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_4-2, Seiten 25-88 (Total 63 Seiten)
Rechtsübernahme von EU-Recht nach Äquivalenzmethode (gleichwertige Umsetzung in Schweizer Recht)
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5.5 Annex 5 – Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Der Annex stärkt die gemeinsame Regelsetzung und verweist mehrfach auf den „gemeinsamen Lebensmittelsicherheitsraum“. Die Schweiz übernimmt damit Regelwerke, die durch EU-Institutionen mitbestimmt werden.
Belegstelle (COM(2025)309_5-2, Artikel V.3, Absatz 1, Seite 33): „Das anwendbare Recht setzt sich zusammen aus dem Protokoll, den Rechtsakten der Union, auf die darin Bezug genommen wird, sowie aus allen anderen Regeln des Völkerrechts, die für die Anwendung dieser Instrumente relevant sind.“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Teilweise
Kommentar: Die Anpassung von Normen erfolgt gemäss neuen Anhängen, die automatisch übernommen werden sollen. Die demokratische Mitsprache ist reduziert, aber nicht vollständig ausgeschlossen.
Belegstelle (COM(2025)309_5-2, Artikel 1, Absatz 2, Seite 3): „Zur Förderung des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen bauen die Parteien technische Hemmnisse ab oder verringern diese im Einklang mit den folgenden Anhängen des Abkommens ...“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Schweiz verpflichtet sich zur Übernahme von EU-Vorgaben im Lebensmittel- und Agrarbereich, was Innovationsspielräume einschränkt und die Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Landwirtschaft belasten könnte.
Belegstelle (COM(2025)309_5-2, Artikel 2, Seite 48): „Unter den Geltungsbereich des gemeinsamen Lebensmittelsicherheitsraums fallen alle Stufen der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs von Lebens- und Futtermitteln sowie tierischen Nebenprodukten; Tiergesundheit und Tierschutz; Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel; Pflanzenvermehrungsmaterial; antimikrobielle Resistenzen; Tierzucht; Kontaminanten und Rückstände; Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen; Kennzeichnung; sowie die entsprechenden amtlichen Kontrollen.“
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Das Annex verknüpft die Handelsregeln fest mit dem gemeinsamen Lebensmittelsicherheitsraum und schafft dadurch eine strukturelle Bindung mit Automatismen. Eine Rücknahme ist praktisch nicht mehr möglich.
Belegstelle (COM(2025)309_5-2, Artikel 5, Seite 172): „Die Parteien errichten hiermit einen gemeinsamen Raum für Lebensmittelsicherheit. Der gemeinsame Lebensmittelsicherheitsraum hat folgende Ziele: Die Stärkung der Lebens- und Futtermittelsicherheit entlang der gesamten Lebensmittelkette, die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen entlang der Lebensmittelkette und in allen Tätigkeitsbereichen, deren Hauptziel darin besteht, eine mögliche Verbreitung von Tierkrankheiten, auch der auf Menschen übertragbaren, oder von Schädlingen für Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse zu verhindern und den Schutz der Umwelt vor Risiken, die von Pflanzenschutzmitteln ausgehen können, sicherzustellen, die integrierte Einführung harmonisierter Normen für die gesamte Lebensmittelkette, die Verstärkung der Bemühungen zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen, die Verstärkung des Tierschutzes und die Förderung hoher Normen für das Tierwohl und & /de 5(f) die Intensivierung der gemeinsamen Bemühungen der Parteien um eine Koordinierung ihrer Standpunkte und um gegenseitige Unterstützung bei ihrer Mitarbeit innerhalb von internationalen Organisationen.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Annex 5 etabliert eine weitreichende regulatorische Anbindung im sensiblen Agrarbereich. Die Schweiz begibt sich damit in eine strukturelle Abhängigkeit ohne wesentlichen Einfluss auf zukünftige Regeländerungen.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Hoch – insbesondere für die Agrarwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Regulierungshoheit.
Abstimmungsempfehlung: Nein (das Dokument widerspricht einer oder mehreren Arbeitshypothesen)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_5-2, Seiten 8-10, 17-44, 134-164 (Total 59 Seiten)
Bestehendes Abkommen Lebensmittel: Rechtsübernahme von EU-Recht nach Äquivalenzmethode (gleichwertige Umsetzung in Schweizer Recht)
Zusätzliches Abkommen Lebensmittelsicherheit: Rechtsübernahme von EU-Recht nach Integrationsmethode (EU-Recht gilt direkt im Schweizer Rechtsraum)
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5.6 Annex 6 – Elektrizität
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Schweiz akzeptiert die Überwachung durch eine gemischte Strommarktkommission mit klarer EU-Dominanz sowie eine verpflichtende Rechtsangleichung an zentrale EU-Strommarktregeln.
Belegstelle (COM(2025)309_6-2, Artikel 13, Absatz 1, Seite 1): „Soweit im Abkommen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln durch die Schweiz oder einen Mitgliedstaat der Union gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Vertragsparteien im Geltungsbereich dieses Abkommens beeinträchtigen.“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Durch die dynamische Übernahme von Netz- und Marktregeln wird faktisch eine Entmachtung der Schweizer Politik in zentralen Regulierungsfragen wie Strommarktöffnung, Versorgungssicherheit und Tarifen etabliert.
Belegstelle (COM(2025)309_6-2, Artikel 27, Absatz 1 und 2, Seite 32): „1. Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und der Homogenität des Rechts im Bereich betreffend den Binnenmarkt, an dem die Schweiz durch das Abkommen teilnimmt, sorgen die Schweiz und die Union dafür, dass die in den Bereich des Abkommens fallenden Rechtsakte der Union nach ihrer Verabschiedung so rasch wie möglich in das Abkommen integriert werden. 2. Rechtsakte der Union, die gemäß Absatz 5 in die Anhänge I und VI integriert werden, werden durch ihre Integration Teil der Schweizer Rechtsordnung, gegebenenfalls vorbehaltlich der vom Gemischten Ausschuss beschlossenen Anpassungen.“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Schweiz verliert ihre bisherige Flexibilität in der Ausgestaltung ihres Strommarktes. Insbesondere der Zugang zu strategischen Netzressourcen, Reserveinfrastruktur und die Preisgestaltung werden eingeschränkt.
Belegstelle (COM(2025)309_6-2, Artikel 9, Absatz 2, Seite 13): „Die Schweiz kann notwendige, verhältnismäßige und nicht verzerrende Maßnahmen ergreifen, um die Stromversorgungssicherheit sicherzustellen, insbesondere durch die Errichtung und Beibehaltung von Stromreserven, soweit solche Maßnahmen mit diesem Abkommen vereinbar sind.“
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Das Regelwerk schreibt automatische Rechtsanpassungen vor, ohne dass ein Rückzug aus einzelnen Bestimmungen möglich ist. Damit entsteht eine faktische Einbahnstrasse mit hohem Integrationsdruck.
Belegstelle (COM(2025)309_6-2, Artikel 27, Absatz 2, Seite 32): „Rechtsakte der Union, die gemäß Absatz 5 in die Anhänge I und VI integriert werden, werden durch ihre Integration Teil der Schweizer Rechtsordnung, gegebenenfalls vorbehaltlich der vom Gemischten Ausschuss beschlossenen Anpassungen.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Annex 6 stellt die Stromversorgung der Schweiz unter EU-Regulierung. Die nationale Hoheit über Energiepolitik und Versorgungssicherheit wird massiv eingeschränkt.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Hochriskant – strategische Infrastruktur wird fremdgesteuert.
Abstimmungsempfehlung: Nein (das Dokument widerspricht einer oder mehreren Arbeitshypothesen)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_6-2, Seiten 27-42, 134-163 (Total 47 Seiten)
Rechtsübernahme von EU-Recht nach Integrationsmethode (EU-Recht gilt direkt im Schweizer Rechtsraum)
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5.7 Annex 7 – Gesundheit
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Der Annex regelt die Beteiligung der Schweiz am EU-Gesundheitsprogramm. Die EU-Kommission erhält umfassende Durchführungs- und Koordinationsrechte, denen sich die Schweiz unterstellt – ohne gleichwertige Mitsprache.
Belegstelle (COM(2025)309_7-2, Art. 6, Absatz 1, Seite 10): „Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und der Homogenität des Rechts betreffend die in diesem Abkommen festgelegte Zusammenarbeit sorgen die Schweiz und die Union dafür, dass die in den Bereich dieses Abkommens fallenden Rechtsakte der Union nach ihrer Verabschiedung so rasch wie möglich in dieses Abkommen integriert werden.“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Da die Schweiz sich vertraglich zur vollständigen Anwendung bestehender und künftiger EU-Vorgaben verpflichtet, wird das Parlament als Gesetzgeber systematisch umgangen.
Belegstelle (COM(2025)309_7-2, Art. 6, Absatz 2, Seite 10): „2. Rechtsakte der Union, die gemäß Absatz 4 in dieses Abkommen integriert werden, werden durch ihre Integration in dieses Abkommen Teil der Schweizer Rechtsordnung, gegebenenfalls vorbehaltlich der vom Gemischten Ausschuss beschlossenen Anpassungen.“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Teilnahme an einem zentralisierten Gesundheitsprogramm mit EU-weiten Standards kann innovationshemmend wirken, insbesondere im stark föderal geprägten Schweizer Gesundheitswesen.
Belegstelle (COM(2025)309_7-2, Art. 6, Absatz 2, Seite 10): „2. Rechtsakte der Union, die gemäß Absatz 4 in dieses Abkommen integriert werden, werden durch ihre Integration in dieses Abkommen Teil der Schweizer Rechtsordnung, gegebenenfalls vorbehaltlich der vom Gemischten Ausschuss beschlossenen Anpassungen.“
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Unstimmigkeiten müssen ausschliesslich innerhalb der im Abkommen vorgesehenen Streitbelegungsmethoden erfolgen, womit Ansprüche seitens der Schweiz an die EU nur über diesen Weg geltend gemacht werden können.
Belegstelle (COM(2025)309_7-2, Artikel 14, Seite 15): „Die Vertragsparteien verpflichten sich, Streitigkeiten betreffend die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens und der Rechtsakte der Union, auf die in Anhang I Bezug genommen wird, oder gegebenenfalls betreffend die Vereinbarkeit eines auf diesem Abkommen beruhenden Beschlusses der Kommission mit diesem Abkommen ausschließlich den in diesem Abkommen vorgesehenen Streitbeilegungsmethoden zu unterstellen.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Die Schweiz übernimmt eine umfangreiche Pflicht zur EU-Rechtsanwendung im Gesundheitsbereich und finanziert ein Programm mit, das sie weder steuern noch anpassen kann.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Ungleichgewichtig – strukturelle Übernahmepflichten ohne angemessene Einflussrechte.
Abstimmungsempfehlung: Nein (das Dokument widerspricht einer oder mehreren Arbeitshypothesen)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_7-2, Seiten 8-22, 52-81 (Total 43 Seiten)
Rechtsübernahme von EU-Recht nach Äquivalenzmethode (gleichwertige Umsetzung in Schweizer Recht)
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5.8 Annex 8 – Regelmässiger finanzieller Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der Europäischen Union
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Kontrolle über die Verwendung und Priorisierung der Gelder liegt faktisch bei der EU, formell beim gemischten Ausschuss. Die Schweiz hat keine eigenständige Steuerung und ist durch durch die im Abkommen definierte Mittelverteilung gebunden.
Belegstelle (COM(2025)309_8-2, Artikel 4, Absatz 2b, Seite 7): „Zwecks Erfüllung der Verpflichtung gemäß Buchstabe (a) schließen die Vertragsparteien mindestens zwölf Monate vor dem Ende der laufenden Beitragsperiode ein rechtlich unverbindliches Memorandum of Understanding (im Folgenden „MoU“) ab. Zu diesem Zweck nimmt der Gemischte Ausschuss mindestens 36 Monate vor dem Ende der laufenden Beitragsperiode Gespräche auf.“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Zahlungen werden durch das Abkommen dauerhaft und automatisch festgeschrieben. Eine parlamentarische Kontrolle oder eine Volksabstimmung über die jährliche Beitragshöhe ist faktisch ausgeschlossen.
Belegstelle (COM(2025)309_8-2, Anhang 1, Absatz 1, Seite 25): „Die Höhe des finanziellen Beitrags der Schweiz für die jeweilige Beitragsperiode wird auf der Grundlage der folgenden Elemente festgelegt …“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Verpflichtung zur regelmäßigen Zahlung stellt eine dauerhafte Belastung für den Bundeshaushalt dar und schränkt die Finanzierungsflexibilität der Schweiz ein, ohne dass daraus ein erkennbarer Standortvorteil oder Nutzen resultiert.
Belegstelle (COM(2025)309_8-2, Anhang III, Absatz 1, Seite 35): „Gemäß Artikel 18 dieses Abkommens leistet die Schweiz für den Zeitraum von Ende 2024 bis Ende 2029 eine einmalige zusätzliche finanzielle Verpflichtung, die den Umfang der Partnerschaft und der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der Union in diesem Zeitraum widerspiegelt. Diese einmalige zusätzliche finanzielle Verpflichtung beträgt 130 000 000 CHF pro Jahr bis zum Inkrafttreten der in Artikel 20 Absatz 2 dieses Abkommens aufgeführten Abkommen sowie 350 000 000 CHF pro Jahr für den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten der in Artikel 20 Absatz 2 dieses Abkommens aufgeführten Abkommen und Ende 2029. Für das Jahr, in dem die in Artikel 20 Absatz 2 dieses Abkommens aufgeführten Abkommen in Kraft treten wird die einmalige zusätzliche Verpflichtung pro rata temporis berechnet.“
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Ein Ausstieg oder die Reduktion der Zahlungen ist faktisch ausgeschlossen, da der finanzielle Beitrag integraler Bestandteil des Pakets ist und Vertragsverletzungen automatische Konsequenzen für andere Bereiche haben können.
Belegstelle (COM(2025)309_8-2, Artikel 17, Absatz 2, Seite 19): „Fasst der Gemischte Ausschuss innerhalb eines Monats nach dem Datum der Notifikation der geplanten Ausgleichsmaßnahmen keinen Beschluss zur Aussetzung, Änderung oder Aufhebung dieser Ausgleichsmaßnahmen, so kann jede Vertragspartei die Frage der Verhältnismäßigkeit dieser Ausgleichsmaßnahmen gemäß Protokoll der Schiedsgerichtsbarkeit unterstellen.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung: Annex 8 macht die Schweiz zu einem dauerhaften Nettozahler der EU-Kohäsionspolitik, ohne echte Mitbestimmung oder Steuerung.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Klar nachteilig – hohe, dauerhafte Zahlungsverpflichtungen ohne Gegenwert und mit politischer Erpressbarkeit.
Abstimmungsempfehlung: Nein (das Dokument widerspricht einer oder mehreren Arbeitshypothesen)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_8-2, Seiten 15-17, 38-66 (Total 30 Seiten)
Rechtsübernahme administrativ geregelt, keine automatische Übernahme
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5.9 Annex 9 – Die Teilnahme der Schweiz an den EU-Programmen
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Schweiz verpflichtet sich zur Übernahme von Programmregeln und -strukturen, die ausschliesslich auf EU-Vorgaben basieren. Eine echte Mitbestimmung oder Einflussnahme auf deren Ausgestaltung ist nicht vorgesehen.
Belegstelle (COM(2025)309_9-2, Artikel 3, Absatz 3, Seite 13 „Die spezifischen Bedingungen für die Teilnahme der Schweiz an einem bestimmten Programm oder einer bestimmten Tätigkeit der Union oder Teilen davon werden in den Protokollen zu diesem Abkommen festgelegt. Die Protokolle zu diesem Abkommen können vom Gemischten Ausschuss geändert werden.“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Ja (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese nicht)
Kommentar: Die Teilnahme an EU-Programmen ist grundsätzlich mit nationaler Zustimmung umsetzbar. Eine direkte demokratische Mitsprache ist möglich, sofern die Teilnahme vertraglich nicht dynamisiert oder automatisiert wird.
Belegstelle (COM(2025)309_9-2, Artikel 3, Absatz 1, Seite 13): „Die Schweiz nimmt an Programmen oder Tätigkeiten der Union oder Teilen davon, die ihr nach Maßgabe der Basisrechtsakte, die in den Protokollen zu diesem Abkommen genannt sind und unter diese Protokolle fallen, zur Teilnahme offenstehen, teil oder trägt dazu bei.“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Teilnahme an EU-Programmen erfordert die vollständige Anwendung der Regeln und finanziellen Beiträge, ohne dass die Schweiz gleichwertige strategische Vorteile (etwa Mitbestimmung) erhält.
Belegstelle (COM(2025)309_9-2, Artikel 7, Absatz 1 und 2, Seite 19): „1. Die Teilnahme der Schweiz oder von Schweizer Rechtsträgern an Programmen oder Tätigkeiten der Union oder Teilen davon erfolgt unter der Voraussetzung, dass die Schweiz einen Finanzbeitrag zu den entsprechenden Finanzmitteln aus dem Unionshaushalt leistet. 2. Der Finanzbeitrag besteht aus der Summe aus: (a) einem operativen Beitrag und (b) einer Teilnahmegebühr.“
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Teilnahme wird im Rahmen der jeweiligen Programme geregelt, jedoch fehlt ein Mechanismus zur selektiven Rücknahme oder Änderung einzelner Verpflichtungen ohne Konsequenzen für die Gesamtteilnahme.
Belegstelle (COM(2025)309_9-2, Artikel 19, Absatz 1, Seite 38): „1. Die Anwendung eines Protokolls zu diesem Abkommen kann von der Union in Bezug auf ein Programm oder eine Tätigkeit der Union oder einen Teil davon ausgesetzt werden.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Die Schweiz wird Programmteilnehmerin ohne gleichwertige Mitsprache. Die Verpflichtungen sind finanziell, administrativ und strukturell bedeutend.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Hochpreisiger Zugang mit beschränkter Gestaltungsmacht.
Abstimmungsempfehlung: Nein (das Dokument widerspricht einer oder mehreren Arbeitshypothesen)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_9-2, Seiten 32-34, 38, 39 (Total 4 Seiten)
Keine Rechtsübernahme, Beteiligung an Programm
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5.10 Annex 10 – Beteiligung an der EU-Weltraumagentur
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Schweiz erkennt ausdrücklich die Rechtspersönlichkeit der EU-Agentur an, akzeptiert den EuGH in gewissen Belangen als zuständig und räumt der Agentur weitgehende Rechte im Inland ein (inkl. Immunitäten, eigene Gerichtsfähigkeit, Steuer- und Zollprivilegien).
Belegstelle (COM(2025)309_10-2, Artikel 1, Seite 19 und Artikel 6, Seite 31): „Die Räumlichkeiten und Gebäude der Agentur sind unverletzlich. Sie dürfen nicht durchsucht, beschlagnahmt, eingezogen oder enteignet werden. Die Vermögensgegenstände und Guthaben der Agentur dürfen ohne Ermächtigung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht Gegenstand von Zwangsmaßnahmen der Verwaltungsbehörden oder Gerichte sein.“ … “Unbeschadet der Anwendung des schweizerischen Strafrechts können die Agentur oder die Europäische Kommission gemäß der Verordnung (EU, Euratom) 2024/2509 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates zu verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und Sanktionen greifen.”
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Ja (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese nicht)
Kommentar: Die Vereinbarung bleibt auf die Beteiligung an einer technischen Agentur beschränkt. Eine direkte Beeinträchtigung demokratischer Verfahren ist nicht erkennbar.
Belegstelle (COM(2025)309_10-2, Artikel 3, Seite 6): „Ein Vertreter der Schweiz nimmt als Beobachter ohne Stimmrecht und nur wenn es um Themen geht, die die Schweiz unmittelbar betreffen, und unter den in der Geschäftsordnung des Gremiums für die Sicherheitsakkreditierung festgelegten Bedingungen an den Sitzungen des Gremiums für die Sicherheitsakkreditierung teil. “
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Die Schweiz verpflichtet sich zu jährlichen Zahlungen, übernimmt aber keine operative Verantwortung oder Einflussnahme. Nutzen und strategische Relevanz dieser Beteiligung bleiben vage. Es entsteht ein strukturelles Ungleichgewicht.
Belegstelle (COM(2025)309_10-2, Artikel 4, Seite 6): „Die Schweiz leistet einen jährlichen Beitrag zu den Einnahmen der Agentur, der nach der in Anhang I beschriebenen Formel berechnet wird.“
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Nein (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese)
Kommentar: Das Abkommen ist auf unbestimmte Zeit geschlossen und beinhaltet umfangreiche automatische Wirkmechanismen bei Änderungen der zugrunde liegenden Protokolle. Ein Ausstieg ist zwar möglich, aber mit komplexen Bedingungen versehen.
Belegstelle (COM(2025)309_10-2, Artikel 7, Seite 32): „Die Urteile, die der Gerichtshof der Europäischen Union aufgrund einer Schiedsklausel fällt, sind unter den gleichen Bedingungen vollstreckbare Entscheide.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung: Die Schweiz beteiligt sich formal an einer EU-Agentur, trägt Kosten, erhält aber kaum Mitbestimmungsrechte. Einfluss gering, rechtliche Bindung real.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Ungünstig – hohe Kosten bei geringer strategischer Steuerung.
Abstimmungsempfehlung: Nein (das Dokument widerspricht einer oder mehreren Arbeitshypothesen)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_10-2, keine spezielle Erwähnung.
Keine Rechtsübernahme, Beteiligung an Agentur
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5.11 Annex 11 – Parlamentarische Zusammenarbeit
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Teilweise (das Dokument etabliert eine neue, aber keine direkt steuernde Instanz)
Kommentar: Der Gemischte Parlamentarische Ausschuss hat keine formellen Entscheidungs- oder Weisungsbefugnisse, kann aber durch seine Empfehlungen und seine institutionelle Verankerung den politischen Druck auf Gesetzgebungsprozesse in der Schweiz erhöhen.
Belegstelle (COM(2025)309_11-2, Artikel 1, Seite 4): „Es wird ein Gemischter Parlamentarischer Ausschuss eingesetzt. Der Ausschuss trägt durch Dialog und Diskussion zu einem besseren Verständnis zwischen den Vertragsparteien über das umfassende bilaterale Paket und eine mögliche Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen bei.“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Ja (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese nicht)
Kommentar: Der Ausschuss hat rein konsultative und informatorische Aufgaben. Die schweizerische direkte Demokratie und das Parlament bleiben formal unberührt.
Belegstelle (COM(2025)309_11-2, Artikel 4, Absatz c, Seite 5): „… kann der Gemischte Parlamentarische Ausschuss Empfehlungen an die Vertragsparteien richten.“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Ja (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese nicht)
Kommentar: Die Einrichtung eines parlamentarischen Forums birgt keine unmittelbaren wirtschaftlichen oder systemischen Nachteile und hat keine direkten Auswirkungen auf Standortfaktoren.
Belegstelle (COM(2025)309_11-2, Artikel 3, Seite 4): „Der Gemischte Parlamentarische Ausschuss tagt mindestens einmal pro Jahr abwechselnd in der Union und in der Schweiz..“
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Ja (das Dokument widerspricht der Arbeitshypothese nicht)
Kommentar: Die Teilnahme ist vertraglich geregelt, kann aber einvernehmlich angepasst oder gekündigt werden. Es besteht keine Dynamisierung und keine automatische Bindung an weitere EU-Institutionen.
Belegstelle (COM(2025)309_11-2, Artikel 7, Seite 6): „Dieses Protokoll kann von den Vertragsparteien jederzeit einvernehmlich geändert werden.“
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Annex 11 stärkt die formalisierte Zusammenarbeit der Parlamente, bleibt aber im Wesentlichen auf eine beratende, informierende Rolle beschränkt.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Neutral bis leicht positiv – Förderung des Austauschs ohne bindende Verpflichtungen.
Abstimmungsempfehlung: Ja (das Dokument widerspricht keiner Arbeitshypothese und birgt keine Souveränitätsrisiken)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_11-2, keine spezielle Erwähnung
Keine Rechtsübernahme
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5.12 Annex 12 – Hochrangiger Dialog über das bilaterale Paket
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Teilweise
Kommentar: Der Hochrangige Dialog institutionalisiert eine regelmässige politische Koordination zwischen den Exekutiven. Die Schweiz bleibt zwar formal unabhängig, aber die Steuerung der Beziehungen wird faktisch enger an die EU angebunden.
Belegstelle (COM(2025)309_12-2, Seite 2): „… darauf abzielt, das gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit in Bezug auf das ausgehandelte umfassende bilaterale Paket und eine mögliche Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen zu fördern ...“
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Ja (das Dokument widerspricht keiner Arbeitshypothese und birgt keine Souveränitätsrisiken)
Kommentar: Das Gremium hat keine Entscheidungsbefugnisse, kann aber Einfluss auf die politische Agenda und Prioritätensetzung nehmen. Demokratische Prozesse und Mitsprache bleiben formal gewahrt.
Belegstelle (COM(2025)309_12-2, Seite 2): „… regelmäßig die Umsetzung des umfassenden bilateralen Pakets, die Arbeit der Gemischten Ausschüsse und die mögliche Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen evaluiert.“
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Ja (das Dokument widerspricht keiner Arbeitshypothese und birgt keine Souveränitätsrisiken)
Kommentar: Die Teilnahme am Dialog verändert die Wettbewerbsbedingungen oder regulatorischen Rahmenbedingungen nicht direkt. Die Schweiz bleibt bei der konkreten Umsetzung eigenständig.
Belegstelle (COM(2025)309_12-2, Seite 2): „Der hochrangige Dialog findet jährlich abwechselnd in der Schweiz und in Brüssel statt, um die Fortschritte zu überprüfen und die zukünftige Zusammenarbeit zu besprechen. Der erste hochrangige Dialog findet innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des umfassenden bilateralen Pakets statt; bei dieser Gelegenheit werden die detaillierten Modalitäten gemeinsam festgelegt.”
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Ja (das Dokument widerspricht keiner Arbeitshypothese und birgt keine Souveränitätsrisiken)
Kommentar: Der Dialog ist ein flexibles, jährlich zu überprüfendes Format, das jederzeit beendet oder angepasst werden kann. Es entstehen keine automatischen, rechtlich bindenden Verpflichtungen.
Belegstelle (COM(2025)309_12-2, Seite 2): „Der hochrangige Dialog findet jährlich abwechselnd in der Schweiz und in Brüssel statt, um die Fortschritte zu überprüfen und die zukünftige Zusammenarbeit zu besprechen. Der erste hochrangige Dialog findet innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des umfassenden bilateralen Pakets statt; bei dieser Gelegenheit werden die detaillierten Modalitäten gemeinsam festgelegt.”
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Annex 12 institutionalisiert den politischen Dialog zwischen der Schweiz und der EU auf höchster Ebene. Er gibt den Exekutiven neue Steuerungsmöglichkeiten, ohne unmittelbar die demokratischen Kompetenzen zu unterlaufen.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Geringes Risiko – aber politisch bedeutsame Dynamisierung der bilateralen Beziehungen.
Abstimmungsempfehlung: Ja (das Dokument widerspricht keiner Arbeitshypothese und ist inhaltlich unkritisch)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_12-2, keine spezielle Erwähnung
Keine Rechtsübernahme
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5.13 Annex 13 – Abschluss, Gemeinsame Erklärungen und Protokollnotizen
Arbeitshypothese 1 – Keine neuen Schlossherren (äussere Steuerung bleibt beschränkt)
Einschätzung: Teilweise
Kommentar: Da die Erklärungen zwar nicht bindend sind, aber faktisch als Auslegungshilfe herangezogen werden, entsteht ein gewisser Interpretationsspielraum zugunsten der stärkeren Partei, meist der EU.
Belegstelle: keine
Arbeitshypothese 2 – Keine Demontage der direkten Demokratie (Souveränität bleibt intakt)
Einschätzung: Neutral (das Dokument widerspricht keiner Arbeitshypothese und birgt keine Souveränitätsrisiken)
Kommentar: Es handelt sich lediglich um deklaratorische oder interpretative Texte ohne rechtliche Bindung. Die innerstaatlichen Prozesse und Mitwirkungsrechte bleiben unberührt.
Belegstelle: keine
Arbeitshypothese 3 – Keine Verwässerung der Standort-/Systemvorteile (Besitzstand bleibt gewahrt)
Einschätzung: Neutral (das Dokument widerspricht keiner Arbeitshypothese und birgt keine Souveränitätsrisiken)
Kommentar: Die Gemeinsamen Erklärungen ändern keine materiellen Vorschriften und haben keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Besitzstand oder die Wettbewerbsvorteile der Schweiz.
Belegstelle: keine
Arbeitshypothese 4 – Keine institutionelle Einbahnstrasse (Austritt bleibt möglich)
Einschätzung: Neutral (das Dokument widerspricht keiner Arbeitshypothese und birgt keine Souveränitätsrisiken)
Kommentar: Annex 13 beinhaltet keine rechtlich verbindlichen Verpflichtungen und kann jederzeit durch einseitige Erklärung der Parteien modifiziert, ergänzt oder für gegenstandslos erklärt werden.
Belegstelle: keine
Fazit / Empfehlung
Kurzbewertung des Dokuments: Annex 13 ist ein politisches und interpretatives Begleitdokument, das primär der Klarstellung und der Vertrauensbildung dient, ohne rechtlich bindende Auswirkungen auf den Vertragstext.
Risiko-/Nutzen-Verhältnis: Gering – die politische und rechtliche Flexibilität bleibt gewahrt.
Abstimmungsempfehlung: Ja (das Dokument widerspricht keiner Arbeitshypothese und hat rein erläuternden Charakter)
Institutionelles Protokoll: COM(2025)309_13-2, keine verbindliche Erwähnung
Keine Rechtsübernahme
6. Was die Analyse ergibt.
Fazit zum Vertragspaket Schweiz–EU.
Das neue bilaterale Paket zwischen der Schweiz und der EU umfasst 13 Einzelabkommen, die alle strategisch relevanten Lebensbereiche der Schweiz betreffen. Eine genaue Analyse der einzelnen Teile zeigt, dass die Vorteile bei genauerem Hinsehen fast immer mit offensichtlichen Risiken, Kontrollverlust und strukturellem Souveränitätsverzicht verbunden sind:
Annex 1 – Freizügigkeit: Die Schweiz bleibt im EU-Arbeitsmarkt, was Arbeitskräfte, Rentenbezug und Ausbildungsplätze sichert. Gleichzeitig verpflichtet das Paket die Schweiz zu einer dynamischen und dauerhaften Übernahme sämtlicher EU-Regelungen im Bereich Personenfreizügigkeit, Lohnschutz, Sozialwerke und Familiennachzug. Die nationale Steuerung und demokratische Kontrolle werden dadurch langfristig ausgehöhlt, weil die Schweiz keinen Einfluss mehr auf künftige Entwicklungen nehmen kann. Das Risiko: Der Verlust an Souveränität und faktische Übernahme von EU-Binnenmarktrecht ohne Vetorecht.
Annex 2 – Luftverkehr: Schweizer Fluggesellschaften und Flughäfen behalten Zugang zum EU-Markt, hohe Sicherheits- und Betriebsstandards werden gesichert. Die Hoheit über wesentliche Regulierungsfragen wie Lärmschutz, Betriebszeiten und staatliche Beihilfen geht jedoch zunehmend auf Brüssel über. Die Schweiz verliert die Möglichkeit, ihre eigenen Standards gegen EU-Regeln durchzusetzen, selbst wenn zentrale Interessen betroffen sind. Das Risiko: Das Schweizer Luftverkehrssystem wird Teil der EU-Binnenmarktordnung mit allen Einschränkungen.
Annex 3 – Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse: Einheitliche Vorschriften für Bahn- und Strassenverkehr erleichtern den Austausch mit der EU und bieten Marktzugang für Schweizer Unternehmen. Der Preis dafür ist die vollständige, automatische Übernahme aller relevanten EU-Regeln – selbst bei Infrastruktur, Alpenschutz, Gebühren und Zugangsrechten. Eigene Schweizer Schutzmechanismen und Sonderregelungen können künftig nicht mehr durchgesetzt werden. Das Risiko: Die Kontrolle über die verkehrspolitische Steuerung wird weitgehend abgegeben.
Annex 4 – Gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen: Schweizer Produkte bleiben auf dem EU-Markt zugelassen, Unternehmen profitieren von Bürokratieabbau. Allerdings werden künftig sämtliche technischen Standards, Normen und Prüfstellen gemäss EU-Recht geregelt, ohne dass die Schweiz eigene, strengere Anforderungen durchsetzen kann. Das Risiko: Die regulatorische Eigenständigkeit der Schweiz bei Konsumentenschutz und kritischen Infrastrukturen wird aufgegeben.
Annex 5 – Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen: Die Schweiz behält Marktzugang für ihre Agrarprodukte, die Kooperation sichert Exportmöglichkeiten und hohen Qualitätsstandard. Doch alle neuen EU-Regeln zu Lebensmittelsicherheit, Tierwohl, Gentechnik oder Pestiziden müssen automatisch übernommen werden – unabhängig von Schweizer Mehrheitsentscheiden. Die Kontrolle über Landwirtschaftspolitik, Subventionen und Produktionsstandards wird geschwächt. Das Risiko: Souveränitätsverlust und schleichende Anpassung an tiefere EU-Standards.
Annex 6 – Elektrizität: Die Integration in den europäischen Strommarkt kann Versorgungssicherheit und Innovation fördern. Doch entscheidende Kompetenzen bei Netzmanagement, Kraftwerksbetrieb und Strompreisbildung gehen an die EU über. Die Schweiz gibt die Kontrolle über strategische Infrastruktur auf und kann im Krisenfall zentrale Ressourcen nicht mehr eigenständig schützen. Das Risiko: Die nationale Energiepolitik wird fremdbestimmt.
Annex 7 – Gesundheit: Forschende, Spitäler und Unternehmen erhalten Zugang zu EU-Programmen und gemeinsamer Entwicklung. Die Schweiz verpflichtet sich jedoch, sämtliche bestehenden und künftigen EU-Regeln im Gesundheitswesen verbindlich zu übernehmen – ohne Möglichkeit, Datenschutz, Preisregulierung oder Zulassung eigenständig zu steuern. Das Risiko: Die Innovationskraft und die Systemhoheit werden eingeschränkt.
Annex 8 – Regelmässiger finanzieller Beitrag: Die Schweiz muss dauerhaft und automatisch hohe Beiträge an die EU-Kohäsion leisten, deren Höhe und Verwendung durch Brüssel bestimmt wird. Ein Rückzug ist praktisch ausgeschlossen, die Finanzierungsverpflichtung bleibt bestehen. Das Risiko: Hohe finanzielle Belastung ohne echte Mitsprache oder Gegenwert.
Annex 9 – Teilnahme an EU-Programmen: Die Schweiz bleibt Teil von Horizon, Erasmus+ und weiteren EU-Programmen, erhält Zugang zu Forschungsnetzwerken und Fördermitteln. Allerdings übernimmt sie die vollen Kosten und Verpflichtungen, ohne mitbestimmen zu können, wie die Programme ausgestaltet oder entwickelt werden. Das Risiko: Substanzielle Abhängigkeit ohne strategische Einflussmöglichkeiten.
Annex 10 – Beteiligung an der EU-Weltraumagentur: Die Schweiz erhält Zugang zu europäischen Raumfahrtprojekten, muss aber jährliche Beiträge leisten und akzeptiert weitgehende Privilegien der Agentur auf ihrem Staatsgebiet. Eigene Mitsprache fehlt. Das Risiko: Finanzielle und rechtliche Verpflichtungen ohne operative Kontrolle.
Annex 11 – Parlamentarische Zusammenarbeit: Ein neues Konsultationsgremium fördert den Dialog zwischen Parlamenten. Die Beteiligung ist rein informell, Empfehlungen sind rechtlich nicht verbindlich. Das Risiko: Geringer Einfluss auf die Gesetzgebung, aber erhöhter administrativer Aufwand.
Annex 12 – Hochrangiger Dialog: Ein institutionalisierter Austausch auf Regierungsebene sorgt für Koordination und Monitoring des Pakets. Entscheidungs- oder Vetorechte entstehen daraus nicht. Das Risiko: Exekutiven gewinnen Einfluss, die parlamentarische Kontrolle bleibt schwach.
Annex 13 – Abschluss, Gemeinsame Erklärungen und Protokollnotizen: Erklärungen und Präzisierungen helfen bei der Auslegung des Vertrags, sind aber rechtlich unverbindlich. Das Risiko: Im Streitfall gelten nur die bindenden Vertragstexte, nicht die politischen Zusicherungen.
Die institutionelle Anbindung ist der Knackpunkt.
Das Vertragswerk verschafft der Schweiz zwar Zugang zu Märkten und Netzwerken, der Preis ist aber ein spürbarer Verlust an Souveränität, Kontrolle und demokratischer Selbstbestimmung – in allen zentralen Bereichen des öffentlichen Lebens. Die wichtigsten Schweizer Schutzmechanismen und Standards werden Schritt für Schritt in die Dynamik europäischer Regeln überführt. Was heute als Ausnahme oder Sonderfall verhandelt ist, steht morgen unter Vorbehalt des EU-Systems. Dies führt zu Unsicherheit, weil die gegenseitige Wechselwirkung dieser institutionellen Anbindung im vorliegenden Vertragswerk und die Konsequenzen daraus nur sehr schwer erfasst werden können.
Offensichtlich liegt aber dort der Schwerpunkt des Pakets Schweiz-EU: Über ein Drittel des ganzen Dokumentenumfangs betrifft nur institutionelle Protokolle. Ähnliche Formulierungen dazu sind über alle Pakete zu finden (Stichworte: Gemischter Ausschuss, Rechtsakte der EU, Schiedsgericht), aber es handelt sich nicht um eine über alle Abkommen einheitliche und einfach nachvollziehbare Gesetzgebung. Inhaltlich besteht das Paket aus 4 bzw. 5 themenspezifische Änderungsprotokollen bereits bestehender Abkommen und umfasst 3 bzw. 4 neue themenspezifische Zusatzprotokolle bzw. Abkommen. Dazu reihen sich 4 neue Zusatzprotokolle allgemeiner und eher untergeordneter Natur ein. Davon weisen 2 (gleich wie die unverbindlichen Erläuterungen als Letzte im Bund) deutlich weniger Umfang auf. Die Struktur dieses Pakets macht mehr als einen unverständlichen Eindruck. Eigentlich wäre “unfertig” der passendere Ausdruck. Aussenstehenden fehlt der Kontext dazu, warum das so ist.
Erklär- und verkraftbar für eine direkte Demokratie wäre die transparente Präsentation dieses Pakets beispielsweise in folgenden drei Teilen:
Abkommen für die institutionelle Zusammenarbeit und die allgemeinen Zusatzprotokolle - dann könnte die Schweiz entscheiden, wie eine zweckmässige institutionelle Anbindung an die EU erfolgen soll.
Paket mit den themenbezogenen Änderungsprotokollen der bestehenden Abkommen - dann könnten die EU und die Schweiz in einem ersten Schritt die bestehenden Abkommen inhaltlich aktualisieren, die institutionelle Anbindung integrieren und eine stabile Grundlage für die Weiterentwicklung schaffen.
Paket mit den themenbezogenen Zusatzprotokollen der neuen Abkommen - dann könnte der Fokus auf die neuen Themen gelegt und eine ordentlich Abwägung über die Vor- und Nachteile erhoben werden.
Dafür sprechen würde, wie die Analyse zeigt, dass die institutionelle Anbindung zum Show Stopper wird. Unabhängig von der Beurteilung anhand der Arbeitshypothesen ist ihr Gewicht im Paket einfach zu gross, um sie nicht frontal und mit dem nötigen Raum dem Schweizer Souverän zur Diskussion zu stellen. Daraus wird aufgrund der latenten Intransparenz insgesamt eine ablehnende Haltung zum Paket Schweiz-EU folgen. Was nicht so sein müsste, wenn man sich die Vorteile anschaut. Der Schluss liegt schlicht zu nahe, dass die institutionelle Anbindung für die Schweiz nachteilig sein wird. Ihre Szenarien sind nicht abschätzbar und damit wird das Risiko für viele Stimmenden unkalkulierbar, was sie folglich ein NEIN in die Urne einlegen lassen wird.
Viel Kann und Wäre, aber es ist sehr einfach.
Um es auf den Punkt zu bringen. Die Übernahme von EU-Recht ist der springende Punkt. Kann die EU Recht in der Schweiz bestimmen? Die Antwort ist einfach: Ja, sie kann. Dabei gibt es offenbar 2 unterschiedliche Mechanismen: Die Äquivalenzmethode und die Integrationsmethode. Der Unterschied? Bei der Integrationsmethode gilt EU-Recht auch in der Schweiz. Die Rechtsakte müssen also nicht in Schweizer Recht überführt werden, sondern sind mit der Inkraftssetzung durch die EU direkt auch in der Schweiz gültig und anwendbar. Damit sind die demokratischen Prozesse und Abläufe in der Schweiz ausgeschaltet, obwohl die Gesetzgebung auf Schweizer Hoheitsgebiet wirkt. Dies entspricht einem direkt Eingriff in die inneren Angelegenheiten der Schweiz. Bei der Äquivalenzmethode wird das EU-Recht mit den üblichen Schweizer Gesetzgebungsprozessen in Schweizer Recht überführt und in Kraft gesetzt.
Die Detailanalyse zeigt, dass die Integrationsmethode in wesentlichen Abkommen gültig sein wird. Die folgenden Abkommen unterliegen der Integrationsmethode:
Annex 1 - Freizügigkeit
Annex 2 - Luftverkehr
Annex 5 - Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Lebensmittelsicherheit)
Annex 6 - Elektrizität
Die Äquivalenzmethode gilt bei folgenden Abkommen
Annex 3 - Güter- und Personenverkehr
Annex 4 - Anerkennung von Konformitätsbewertungen
Annex 5 - Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Lebensmittel)
Annex 7 - Gesundheit
Keine automatische Rechtsübernahme gibt es bei den Administrativabkommen:
Annex 8 - Regelmässiger finanzieller Beitrag der Schweiz
Annex 9 - Teilnahme an EU-Programmen
Annex 10 - Beteiligung an EU-Weltraumagentur
Annex 11 - Parlamentarische Zusammenarbeit
Annex 12 - Hochrangiger Dialog
Annex 13 - Unverbindliche Präzisierungen
Wie Katharina Fontana in der NZZ zeigt, dann sollten wohl alle Abkommen die Integrationsmethode beinhaltet, ginge es nach der EU. Dieses Ansinnen zeigt die Absicht hinter dieser institutionellen Anbindung und ist möglicherweise Ursache für dieses uneinheitliche Paket: Der Rechtsraum der Schweiz soll in den Rechtsraum der EU integriert werden, obwohl die Schweiz nicht Teil der EU ist und nicht über ein Mitbestimmungsrecht im Rechtsraum der EU verfügt. Dies entspricht einem substantiellen, ja existentiellen Souveränitätsverlust.
Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Doch auf jeden Fall mit erheblicher Sprengkraft.
Zusammenfassung der Dokumentenanalyse nach 4 Arbeitshypothesen.
7. Worauf es jetzt ankommt.
Diese Analyse ist kein Nein aus Prinzip.
Sie ist ein Ja zu einer konstruktiven Debatte. Wer ein derart weitreichendes Vertragspaket vorlegt, muss damit rechnen, dass es geprüft, hinterfragt, seziert wird – nicht aus Misstrauen, sondern aus Verantwortung. Denn was hier auf dem Tisch liegt, ist nicht einfach ein diplomatisches Update. Es ist ein fundamentaler Strukturwandel.
Was es jetzt braucht, ist kein schneller Konsens – sondern ein starkes Miteinander. Eine Diskussion, die die institutionelle Anbindung klarstellt und nicht von Unklarheiten und Intransparenz geleitet wird. Diese vorliegende Auslegeordnung ist ein Beitrag, ein konstruktiver und unaufgeregter Impuls dazu.
Ob das Paket eine Zukunft hat, wird sich zeigen. Doch eines ist jetzt schon klar: Ein solches Paket darf nicht erst an der Urne diskutiert werden. Oder bestenfalls vorher unter einigen Wenigen. Es muss in den nächsten Wochen verstanden, geprüft, begründet werden. Auch vom Souverän. Eine Entscheidungsreife kann erst erfolgen, wenn sich auch eine zielführende Fortführung abzeichnet. Möglicherweise auch mit JA, dann aber im Wissen aller Konsequenzen. So verstehen wir Demokratie.
Was wäre, wenn man es in einem Satz sagen müsste?
Das Paket Schweiz–EU kommt in seiner Summe in den jeweiligen Abkommen einem faktischen EU-Beitritt gleich – allerdings ohne gleichwertiges Mitspracherecht und ohne wirksame institutionelle Absicherung. Diese Erkenntnis ist schwerwiegend, weil damit eine für die Schweiz ungewöhnlich nachteilige Lösung in die Umsetzung gebracht würde. Warum?
Die Schweiz übernimmt EU-Recht dynamisch – ohne Vetorecht oder Volksentscheid.
Der Europäische Gerichtshof legt dieses Recht aus – verbindlich auch für die Schweiz.
Die Umsetzung erfolgt über gemeinsame Ausschüsse – unter EU-Führung.
Die Schweiz zahlt regelmässig sehr grosse Beiträge an die EU – ohne Kontrolle über die Mittelverwendung.
Ein Rückzug ist formal möglich – aber faktisch unrealistisch, weil er das ganze Paket gefährden würde.
Was fehlt also zum formellen EU-Beitritt? Eigentlich nur drei Dinge:
das Stimmrecht in Brüssel,
ein Sitz im EU-Parlament,
und die Möglichkeit, europäisches Recht mitzugestalten.
Doch gerade diese drei entscheidenden Vorteile fehlen – und genau deshalb ist dieses Paket paradoxer als ein Beitritt: Es übernimmt die Pflichten ohne die entscheidenden Rechte. Es ist ein Beitritt durch die Hintertür oder wie es der EU-Abgeordnete Andreas Schwab gegenüber SRF sagt: Die Schweiz wäre in einem Orchester auf dem Platz der Schlaginstrumente. Ziemlich weit hinten und nicht immer benötigt. Quasi die Schweiz als kleines Triangelspiel.
Dieses Paket mag gut gemeint sein. Aber es ist nicht gut gemacht.
Es wurde mit diplomatischer Geduld verhandelt, technisch präzise aufbereitet, kommunikativ sorgsam flankiert – und doch bleibt es strukturell einseitig und schwerfällig, politisch unausgewogen und institutionell für die Schweiz riskant. Es überträgt zentrale Gestaltungsspielräume an supranationale Gremien, verpflichtet die Schweiz zu dauerhaften finanziellen Leistungen ohne effektive Mitsprache, und installiert Mechanismen, die sich künftiger demokratischer Korrektur weitgehend entziehen.
Was als Stabilisierung des bilateralen Wegs verkauft wird, ist in Wahrheit ein Systemwechsel unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Die direkte Demokratie wird nicht frontal angegriffen – sie wird umgangen. Die Souveränität wird nicht abgeschafft – sie wird schrittweise verwaltet. Die Mitsprache der Bevölkerung bleibt formal erhalten – aber faktisch irrelevant, wenn die Entscheidungswege ausserhalb der Reichweite des Volkes liegen. Dieses Paket mag gut gemeint sein. Aber es ist nicht gut gemacht. Denn es stellt die Seele der Schweiz zur Disposition. Und wir fragen rhetorisch: Wollen wir das?
Die hier vorgelegte Bewertung betrachtet vor allem die Risiken und institutionellen Verschiebungen im Vertragspaket. Sie erhebt nicht den Anspruch, die fachlichen und wirtschaftlichen Vorteile aller Einzelabkommen zu verneinen oder kleinzureden. Im Gegenteil: Viele Vorteile und Chancen sind real – sie rechtfertigen aber nach Ansicht dieser Analyse nicht, die Schweiz dauerhaft und unumkehrbar in einen supranationalen Rechtsraum ohne wirksame Mitsprache zu integrieren und damit die Erfolgsposition der Schweiz unumkehrbar zu riskieren. Eine echte demokratische Entscheidung braucht die offene Gegenüberstellung beider Seiten: der realen Vorteile und der dauerhaften institutionellen Konsequenzen. Die vorliegende Betrachtung liefert die Risiken nach.
Was heisst das im Klartext zusammengefasst?
Die Schweiz würde gerne JA zu einem tollen Vertragspaket sagen. Doch dafür müsste das Paket die direkte Demokratie, die Eigenständigkeit und die Souveränität der Schweiz achten – und das tut es ausdrücklich nicht.
Gut gemeint, aber schlecht gemacht. Das Paket steht für einen positiven Neustart, ist aber institutionell inhaltlich und strukturell zu problematisch und nicht verträglich etappiert.
Es ist kein klassisches Paket – sondern ein institutioneller Systemwechsel. Die Schweiz verpflichtet sich zur dynamischen Übernahme von EU-Recht ohne Mitgestaltung.
Die direkte Demokratie wird umgangen und ausgehebelt. Dies betrifft auch das Parlament. Zentrale Entscheide fallen künftig nicht mehr ausschliesslich in der Schweiz. Die Folgen für die politische Kultur in der Schweiz sind unabsehbar.
Faktisch entspricht das Paket einem EU-Beitritt ohne Stimmrecht und Mitgestaltung. Die Schweiz wird Teil des EU-Rechtsraums – ohne eigene Mitsprache auf Gesetzesebene, also dort, wo es letztlich entscheidend ist.
Unsymmetrie bei Streitbeilegung und Rechtspflege. Die Schweiz akzeptiert fremde Kontrolle, ohne im Gegenzug gleiche Rechte zu erhalten. Die Sanktionsmechanismen helfen primär der stärkeren Seite, der EU.
Inhaltliche Detailchancen oder -gefahren wurden nicht abschliessend geprüft. Im Detail könnten sich neben den real existierenden Chancen weitere Risiken eröffnen – die Risiken vom institutionelle Rahmen sind jedoch aufgezeigt.
Es steht die Identität („Seele“) der Schweiz auf dem Spiel. Die Verträge verändern das Land zumindest langfristig tiefgreifend – politisch, rechtlich und gesellschaftlich.
Die breite, ehrliche Diskussion fehlt bisher. Es braucht jetzt Transparenz, offene Debatte und eine bewusste Entscheidung. Möglicherweise auch für ein Ja – dann aber im Bewusstsein über alle Konsequenzen und die ganze Tragweite.
Was am Ende festzuhalten ist.
Was immer an wirtschaftlichen oder politischen Vorteilen im Vertragspaket steckt – sie rechtfertigen nicht, dass die Schweiz ihre Souveränität und demokratische Gestaltungsmacht im vorliegenden Ausmass und unter diesen Bedingungen dauerhaft aufgibt. Solche Grundwerte und Kompetenzen dürfen nicht leichtfertig und ohne Rückholbarkeit aus der Hand gegeben werden.
Das gesamte Vertragswerk ist letztlich Makulatur, wenn die EU durch das neue System einseitig das anwendbare bzw. relevante Recht festlegen und ändern bzw. in grossen Zügen massgebend beeinflussen kann. Und zwar mit der automatischen Rechtsübernahme direkt bis auf Schweizer Hoheitsgebiet mit Wirkung bis hin zu den Menschen in der Schweiz, ohne irgendein Zutun von irgendjemandem in der Schweiz. Nicht der heute ausgehandelte Vertragstext, sondern die laufend durch die EU bestimmte Rechtslage wird künftig das Verhältnis Schweiz–EU prägen. Der sich zusätzlich abzeichnende direkte Zugriff der EU auf die strategische Infrastruktur der Schweiz ist in diesem Blickwinkel im höchsten Masse fragwürdig. Jede heute versprochene Sicherheit ist unsicher. Was heute gilt, kann morgen schon Geschichte sein – und die Schweiz hat dem faktisch nichts entgegenzusetzen.
Dies steht im Widerspruch zu Artikel 2 Absatz 1 der Bundesverfassung: „Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.“ Mit dem vorliegenden Vertragspaket würde die Schweiz erstmals zentrale Elemente ihrer Unabhängigkeit und Selbstbestimmung aufgeben – was nicht im Sinn und Geist der heute gültigen Verfassung ist.
Die Entscheidung über dieses Vertragspaket ist weit mehr als ein technischer Staatsvertrag – sie ist eine Richtungsentscheidung für die Schweiz als souveränen, demokratischen Rechtsstaat hin zu einer traurigen Form der Selbstaufgabe im Gegenzug für den Zugang zum EU-Binnenmarkt.
8. Epilog und was unser Kommentar und die Kampagne dazu ist.
Die Ratlosigkeit ist gross, die Erkenntnis umso schwerer.
Nach der Lektüre dieses Berichts bleibt man ratlos zurück – angesichts dessen, was der Bundesrat seinen Bürgerinnen und Bürgern vorsetzt. Unabhängig davon, ob die Analyse nun ein zu kritisches Bild gebracht hat oder nicht. Entscheidend ist, dass wir zum heutigen Zeitpunkt zum Paket Schweiz-EU nicht einfach Ja oder Nein sagen können und damit ist die Sache vorerst erledigt. Die Tragweite ist einfach zu gross. Doch die breite Diskussion muss jetzt losgehen.
Wir sagen es so: „Wir haben bei smartmyway diesen Schritt getan, weil wir nicht glauben können, dass unsere Generation tatsächlich bereit ist, das Erfolgsmodell der Schweiz verdeckt oder offen aufs Spiel zu setzen. Wir fragen uns die ganze Zeit, wie es so weit kommen konnte. Warum stört es scheinbar so wenige, dass in der Schweiz eine weitreichende institutionelle Anbindung an die EU offenbar salonfähig geworden ist? Wieso äussert sich ausserhalb der Politik niemand genügend wahrnehmbar dazu, dass mit dem Paket ein einschneidender Souveränitätsverlust einhergeht? Es geht doch um nichts weniger als die Seele der Schweiz. Darauf suchen wir immer noch eine Antwort. Und ja, wir tun es auch, weil wir hoffen, dass ein paar Menschen nachdenklich werden, vielleicht sogar unsere Argumente teilen und eine breite Debatte starten, die der wahren Tragweite für die Schweiz gerecht wird. Wenn sich daraus auch für uns etwas Positives ergibt, ist das gut – aber nicht um den Preis unserer Selbstaufgabe.“
Die 12 Kampagnen-Apostel sind rotweiss. Wie die Schweiz.
Wir haben uns also gesagt, dass eines klar ist: Wir sind die Schweiz. Hier setzen wir an.
Das ist der Massstab für die ganze Auseinandersetzung. Wer dieses Selbstverständnis zur Disposition stellt, begibt sich auf eine Gratwanderung zwischen kurzfristigen Paketvorteilen und einem langfristigen Verlust der Schweizer Erfolgsposition. Deshalb haben wir eine Serie von 12 Botschaften entwickelt, die unmissverständlich sind. Wir nennen sie Apostel, weil sie für etwas Gutes stehen: eine konstruktive Diskussion über die Zukunft der Schweiz. Sie sollen sachlich aufrütteln, ohne stark zu übertreiben.
Sie sagen: „Nein. Wir sind die Schweiz.“ Denn das Vertragspaket Schweiz-EU trägt diesem Selbstverständnis zu wenig Rechnung. Darauf wollen auch wir eine Antwort, die wir noch nicht gefunden haben. Es sind 12 Apostel, weil sie sinnbildlich für die Grundwerte unserer Demokratie stehen und für die Antworten sorgen sollen. Fast jeder Punkt eines Vertragswerks kann im politischen Prozess korrigiert werden – aber nicht das Fundament eines Landes, nicht sein Grundverständnis. Wenn die Identität eines Landes zur Disposition steht, dann geht es nicht um Politik. Dann geht es um Würde, um Seele.
Und genau das, was die Schweiz ausmacht, steht jetzt im Raum. Dieses Paket wirkt nicht wie eine Reform, sondern wie eine Transplantation. Und zwar nicht am Herzen oder am Hirn, sondern an der Seele dieses Landes. Deshalb sagen wir: Für ein Vorhaben dieser Tragweite ist das Paket Schweiz–EU nicht reif. Wenn sich unsere Befürchtungen in den kommenden Monaten nicht widerlegen lassen, bleibt nur ein klares Nein.
Wir sind im Team Rotweiss. Sie auch?
Anhang: Entwicklung Vernehmlassung und Gesamtbeurteilung der 13 Änderungsprotokolle.
Strategische Leitlinie für die Vernehmlassung und Kommunikation zum Schweiz-EU-Paket (Juli 2025).
1. Grundhaltung.
Die Schweiz benötigt ein gutes, zukunftsfähiges Paket - mit einem klaren Ja zu Europa und zur Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn. Aber jede institutionelle Anbindung ist abzulehnen, die die demokratische Selbstbestimmung der Schweiz aushebelt und der EU einseitige Entscheidungsmacht über die Spielregeln und Inhalte gibt. Ein faktischer EU-Beitritt ohne Mitbestimmung kommt für die Schweiz nicht in Frage.
2. Die zentrale "Rote Linie".
Die institutionelle Anbindung (dynamische Rechtsübernahme, EuGH als Letztinstanz) ist für die Schweiz nicht verhandelbar. Die Seele der Schweiz - ihre direkte Demokratie und Eigenständigkeit – darf nicht zur Verhandlungsmasse werden. Vielmehr ist ein Vetorecht der Schweiz anzustreben, um das Ungleichgewicht in der Machtfülle der EU zur Schweiz auszugleichen. Ein Vetorecht, das den jeweiligen Status Quo ohne jede weitere Sanktionen garantiert. Nachverhandeln ist deshalb unumgänglich und dringend notwendig.
3. Nachverhandeln als strategischer Weg.
Das Paket kann mit klarer Korrektur der institutionellen Anbindung mehrheitsfähig werden. Nachverhandeln ist eine konstruktive, mehrheitsfähige und realpolitisch notwendige Option - sowohl in der Schweiz als auch auf Seiten der EU. Die EU wird sich einer Nachverhandlung nicht verwehren, wenn in der Schweiz der Wille zu einer partnerschaftlichen Lösung klar und breit artikuliert wird und die EU tatsächlich konstruktiv eine partnerschaftliche Beziehung anstrebt. Ein "Alles oder Nichts"-Ansatz würde nur zu Blockade, Notausgang und jahrelangem Stillstand führen.
4. Kommunikation und Zielgruppen.
Diese Leitlinie richtet sich an die Bevölkerung, an Verbände, Parteien und Organisationen, die einen guten Deal für die Schweiz wollen - aber nicht um den Preis der Selbstentmachtung. Daher gilt:
Klare rote Linie in der institutionellen Frage
Konstruktive Gesprächsbereitschaft mit der EU für eine tragfähige Lösung
Ablehnung eines Pakets, das diese rote Linie nicht respektiert
5. Fazit.
Die Schweiz benötigt ein partnerschaftliches, fortschrittliches Abkommen - nicht eine Übernahme von EU-Recht. Nachverhandeln ist keine Schwäche, sondern der konstruktive Weg zu einer Lösung auf Augenhöhe.
Wer jetzt behauptet, das Paket sei "ausverhandelt", riskiert den Absturz an der Urne und blockiert die Zukunft der Schweiz.
6. Analyse der einzelnen Vertragstexte.
In den anschliessenden Kapiteln findet sich die systematische Analyse der 13 Änderungsprotokolle aus einer relevanten Gesamtbetrachtung (Annex 1 bis 13 der Abkommen mit Vertragstexten). Was sind die Chancen und Risiken für die Schweiz, welcher Einfluss hat die formulierte rote Linie in der aktuellen Version und wie wäre das Abkommen einzuordnen, falls die rote Linie nicht tangiert würde, sind Gegenstand der Analyse.
Analyse Annex 1 des Freizügigkeitsabkommens Schweiz-EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Der Annex 1 des Freizügigkeitsabkommens bietet der Schweiz weiterhin einen einfacheren Zugang zu qualifizierten Fachkräften aus der EU. Schweizer Unternehmen profitieren davon, dass sie unkompliziert Arbeitskräfte – beispielsweise in Pflege, IT, Bau oder Wissenschaft – rekrutieren können. Die bestehenden Grenzgängerregelungen bleiben erhalten, was eine gute Versorgung in Grenzregionen und die Vermeidung von Sonderbewilligungen ermöglicht. Auch Schweizer Bürgerinnen und Bürger profitieren direkt: Sie erhalten leichter Zugang zu Jobs, Studienplätzen und Rentenleistungen in der EU. Zudem werden Berufsabschlüsse weiterhin anerkannt und auch der Familiennachzug für Schweizerinnen und Schweizer aus EU-Staaten wird erleichtert. Soziale Sicherheit bleibt abgestimmt: Rentenbeiträge und Sozialversicherungen werden weiterhin gegenseitig anerkannt und verrechnet. Niemand verliert Anrechte auf Leistungen aufgrund von Mobilität. Ein weiteres Plus ist der Schutz vor Diskriminierung: Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen in der EU nicht diskriminiert werden, und umgekehrt. Auch die Rechtssicherheit für Schweizer Firmen steigt, da einheitliche Regeln Willkür verhindern. Die gegenseitige Anerkennung von Diplomen und beruflichen Qualifikationen bleibt erhalten oder wird sogar ausgebaut. Das erleichtert insbesondere den Zugang zu regulierten Berufen auf beiden Seiten.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Mit dem Annex 1 steigen auch die Risiken: Bei Wirtschaftskrisen, Kriegen oder verstärkter Migration innerhalb der EU könnten mehr Menschen in die Schweiz kommen, ohne dass die Schweiz rechtzeitig Gegenmassnahmen ergreifen kann. Änderungen im EU-Familiennachzugsrecht müssen künftig automatisch übernommen werden, was zu einem lockereren Familiennachzug führen kann. Der Zugang zu Sozialleistungen wird weniger restriktiv, was Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet, wenn EU-Recht entsprechende Standards lockert. Die Schweiz verliert damit ihre Steuerungsmöglichkeiten und kann Zuwanderung nicht mehr eigenständig über Kontingente oder Sonderregeln begrenzen. Auf dem Arbeitsmarkt und im Wohnungsmarkt kann es zu mehr Konkurrenz und insbesondere in Ballungszentren zu steigenden Mieten kommen. Unterschiede bei den Sozialversicherungsstandards können zu Lücken und Problemen bei der Leistungskoordination führen. EU-Bürgerinnen und Bürger erhalten über das FZA unter Umständen Anspruch auf fast alle Sozialleistungen, auch bei kurzfristiger Beschäftigung, sofern das EU-Recht das vorsieht. Sprachliche und kulturelle Herausforderungen könnten zunehmen, wenn die Zuwanderung aus neuen EU-Mitgliedstaaten steigt. Hinzu kommt ein fortlaufender Anpassungsdruck auf die Schweizer Gesetzgebung und Verwaltung. Jede Erweiterung, Lockerung oder Neuregelung der EU muss automatisch übernommen werden – die Schweiz kann dies nicht mehr blockieren.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Zu den Chancen zählt beispielsweise, dass eine junge Schweizer Familie nach Lyon oder Berlin ziehen und unkompliziert Arbeit finden kann.
Schweizer Unternehmen können spontan Fachkräfte aus der EU einstellen.
Eine Schweizer Rentnerin erhält ohne grossen Aufwand ihre Rente aus mehreren Ländern ausbezahlt.
Risiken:
Zu den Risiken zählt etwa, dass Deutschland den Familiennachzug stark ausweitet und die Schweiz dies automatisch übernehmen muss.
Nach einer EU-weiten Krise könnte Brüssel einen Sozialfonds beschliessen, und Schweizer Sozialkassen wären davon betroffen.
In grossen Städten könnten die Mieten steigen und Löhne unter Druck geraten.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Ja. Die dynamische Übernahme von EU-Recht und der EuGH als Streitbeilegungsinstanz überschreiten klar die rote Linie der Souveränität. Nationale Vetorechte, Referendum und demokratische Kontrolle sind faktisch ausgeschlossen. Zentrale Belege finden sich in den Artikeln und Protokollen des Änderungsdokuments.
Gesamteinschätzung.
Mit Berücksichtigung der roten Linie ist das Abkommen riskant und institutionell nachteilig für die Schweiz. Die Vorteile werden durch den Kontrollverlust übertroffen. Ohne Berücksichtigung der roten Linie überwiegen kurzfristig die Vorteile (Marktzugang, Rechtssicherheit), jedoch bleibt das Risiko eines Kontrollverlusts langfristig bestehen.
Fazit.
Der Annex 1 bietet der Schweiz Marktzugang, Gleichbehandlung, Bestandsschutz, einfachere internationale Karrieren und Innovationschancen. Demgegenüber stehen Kontrollverlust, die Autorität des EuGH, dynamische Rechtsübernahme, Souveränitätsverlust und neue Alltagsrisiken. Die rote Linie ist überschritten. Das Gesamturteil lautet: Mit roter Linie institutionell nicht akzeptabel, ohne rote Linie kurzfristig vorteilhaft, aber langfristig riskant.
Analyse Annex 2: Luftverkehrsabkommen Schweiz–EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Das Luftverkehrsabkommen garantiert weiterhin den gleichberechtigten Zugang schweizerischer Fluggesellschaften zu sämtlichen EU-Luftfahrtmärkten und umgekehrt. Damit bleibt die Schweiz fest eingebunden in den europäischen Luftverkehrsraum, was attraktive Direktverbindungen, hohe Frequenzen und preislichen Wettbewerb für Passagiere und Unternehmen bedeutet. Durch die Integration in die europäischen Sicherheits- und Betriebsstandards profitieren Schweizer Passagiere von einem hohen und einheitlichen Sicherheitsniveau. Für Schweizer Flughäfen, Airlines und die exportorientierte Wirtschaft bedeutet dies Planungs- und Rechtssicherheit sowie Zugang zu Wachstumsmärkten in Europa.
Neue Chancen ergeben sich, da die Schweiz künftig an der Weiterentwicklung von EU-Regeln und -Standards im Luftverkehr zumindest beratend beteiligt wird. Über gemischte Ausschüsse ist ein Mitspracherecht bei wichtigen Regulierungen vorgesehen. Dies ermöglicht der Schweiz, technologische Innovationen und Entwicklungen wie nachhaltige Luftfahrt, neue Sicherheitsstandards oder Digitalisierung frühzeitig zu adaptieren.
Die gegenseitige Anerkennung von Betriebsgenehmigungen bleibt erhalten. So können Schweizer Airlines weiterhin zu denselben Bedingungen wie EU-Konkurrenten operieren. Schweizer Unternehmen und Dienstleister profitieren zudem von der wechselseitigen Marktöffnung in Bereichen wie Wartung, Bodendienste oder Flugverkehrskontrolle. Der Standort Zürich kann so seine Rolle als bedeutendes europäisches Luftfahrtdrehkreuz behalten und ausbauen.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Das größte Risiko ist die verpflichtende, dynamische Übernahme von künftigem EU-Recht im Luftverkehr. Die Schweiz muss künftige Regulierungen und technische Standards automatisch übernehmen, auch wenn diese nicht im eigenen Interesse liegen oder das Schweizer Marktmodell verschlechtern. Die Mitsprache ist zwar formal vorgesehen, aber das Entscheidungsrecht liegt letztlich bei der EU.
Ein bedeutendes Risiko ergibt sich aus der institutionellen Anbindung: Im Streitfall entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Auslegung relevanter Rechtsakte – die Schweiz gibt damit ein Stück ihrer Souveränität ab. Nationale Sonderregelungen und flexible Anpassungen werden stark erschwert. Eine eigenständige Luftverkehrspolitik wird so langfristig faktisch unmöglich.
Durch die Gleichbehandlung von EU- und Schweizer Unternehmen kann es zu verstärktem Konkurrenzdruck auf dem Schweizer Markt kommen. Grosse EU-Anbieter könnten Schweizer Airlines verdrängen, insbesondere falls EU-Subventionen zugelassen oder gelockert werden. Gleichzeitig verpflichtet sich die Schweiz, alle Regeln zu staatlichen Beihilfen gemäss EU-Standard zu übernehmen und ein entsprechendes Kontrollsystem aufzubauen. Damit verliert sie das Instrument, den Luftfahrtstandort Schweiz gezielt zu fördern.
Die Schweizer Verwaltung muss zudem alle relevanten Vorschriften, Meldepflichten und statistischen Vorgaben laufend aktualisieren und übernimmt einen erheblichen administrativen Mehraufwand. Auch die Überwachung und Durchsetzung von Beihilferegeln wird komplexer.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Schweizer Flughäfen wie Zürich oder Genf profitieren weiterhin vom Status als internationales Drehkreuz.
Schweizer Passagiere können neue Direktverbindungen nutzen, weil EU-Airlines den Markt betreten oder ausbauen.
Neue EU-Sicherheitsregeln werden schnell adaptiert, was das Vertrauen stärkt.
Schweizer Wartungsunternehmen können leichter für EU-Airlines tätig werden.
Risiken:
Bei einer zukünftigen Änderung von EU-Umweltnormen (z. B. CO₂-Abgaben) muss die Schweiz diese automatisch übernehmen, selbst wenn das den Standort massiv verteuert.
Bei Subventionsstreitigkeiten kann die Schweiz gezwungen werden, Fördermassnahmen zurückzunehmen – auch wenn sie arbeitsplatzpolitisch sinnvoll wären.
Bei regulatorischen Änderungen etwa zu Flughafenentgelten entscheidet der EuGH, ob Schweizer Sonderregelungen zulässig sind.
Falls grosse EU-Airlines den Schweizer Markt drängen, könnten kleinere Schweizer Anbieter zurückgedrängt oder verdrängt werden.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Ja. Die dynamische Rechtsübernahme, der Vorrang von EU-Regelungen, das Streitschlichtungsverfahren mit dem EuGH als Letztinstanz und die Übernahme des EU-Systems für staatliche Beihilfen überschreiten die Schweizer Souveränität deutlich. Die Schweiz verliert dauerhaft die Kontrolle über zentrale Elemente der eigenen Luftfahrt- und Subventionspolitik. Beleg: Siehe die neuen Artikel und das Institutionelle Protokoll im Änderungsdokument.
Gesamteinschätzung.
Berücksichtigt man die rote Linie, ist das Abkommen klar institutionell nachteilig und risikobehaftet. Die Vorteile (Marktzugang, Standards, Planungssicherheit) werden durch die weitgehende Abgabe von Autonomie und die automatische Rechtsübernahme übertroffen. Ohne Berücksichtigung der roten Linie ist das Abkommen kurzfristig attraktiv für die Luftfahrtbranche und Wirtschaft, aber das Risiko, mittelfristig fremdbestimmt zu werden, bleibt bestehen.
Fazit.
Das Luftverkehrsabkommen garantiert der Schweiz weiterhin Zugang, Wettbewerb und Sicherheit im europäischen Luftfahrtmarkt. Gleichzeitig verpflichtet es die Schweiz zu einer institutionellen Einbindung, die im Kern einen Souveränitätsverzicht und eine automatische Rechtsübernahme bedeutet. Die rote Linie ist überschritten: Mit ihr ist das Abkommen institutionell nicht akzeptabel, ohne sie kurzfristig vorteilhaft – aber langfristig riskant.
Analyse Annex 3: Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse Schweiz–EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Annex 3 des Abkommens sichert Schweizer Bahn- und Transportunternehmen weiterhin den privilegierten Zugang zum EU-Markt für Güter- und Personenverkehr. Das Abkommen regelt den gegenseitigen Zugang für Bahnunternehmen, einschliesslich der Möglichkeit, Passagiere auf grenzüberschreitenden Strecken aufzunehmen und abzusetzen. Der Status der Schweiz als Transitland für alpenquerende Verkehre bleibt ein bedeutender wirtschaftlicher Standortvorteil. Zudem enthält das Abkommen explizite Schweizer Ausnahmen bei Kapazitätsbewirtschaftung (z. B. Taktfahrplan, Mindesttrassen für die Schweiz).
Die Schweiz behält die Möglichkeit, eigene Standards für den öffentlichen Verkehr zu setzen – etwa bei Tarifintegration und bei Sozialstandards für Löhne und Arbeitsbedingungen. Öffentliche Dienstleistungsaufträge im Regional-, Stadt- und Vorortverkehr dürfen weiterhin direkt an schweizerische Betreiber vergeben werden. Der Vorrang für das bewährte Schweizer Taktfahrplansystem ist gesichert. Gebührenmodelle wie die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe bleiben erhalten und können ökologisch gestaffelt werden. Bei Auslastungsproblemen kann die Schweiz Gebühren vorübergehend erhöhen, um die Schiene zu fördern. Die Schweiz kann an der Arbeit der EU-Eisenbahnagentur (ERA) teilnehmen, wobei die ERA in der Schweiz keine Durchführungsbefugnis hat.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Das Abkommen verpflichtet die Schweiz zur dynamischen Übernahme künftiger EU-Rechtsakte für den Bahn- und Strassenverkehr – mit wenigen Ausnahmen. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet ein Schiedsgericht, das den EuGH beiziehen muss, sodass die Schweiz kein Vetorecht hat. Anpassungen von Gebühren, Lizenzen und Betriebsregeln können künftig von der EU bestimmt werden und die Schweiz muss nachziehen. Der Wettbewerbsdruck auf dem Schweizer Bahnmarkt nimmt zu, da der Markt für EU-Unternehmen geöffnet wird. Direktvergaben im öffentlichen Verkehr werden eingeschränkt, und EU-Recht wird Massstab für Sozialstandards, technische Auflagen und Lizenzierungen. Die Mitwirkung der Schweiz im Regulierungsprozess beschränkt sich auf Anhörung – eine echte Mitentscheidung findet nicht statt. Langfristig droht eine Erosion von Schweizer Modellen wie Kapazitätssteuerung, Service public, Löhne und Vergabepraktiken. Die Anpassungspflicht an EU-Entwicklungen kann Schweizer Systeme und Schutzmechanismen unterminieren.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Zu den Chancen gehört, dass Schweizer Unternehmen weiterhin von geregeltem Marktzugang, klaren Regeln für Transitverkehre und stabilem Status als europäisches Logistikdrehkreuz profitieren.
Schweizer Fahrpläne, Sozialstandards und Gebührenmodelle bleiben – mit Ausnahmen – zunächst geschützt.
Risiken:
Risiken bestehen darin, dass künftige EU-Regulierungen für Lizenzen, technische Standards oder Personalfragen übernommen werden müssen.
EU-Unternehmen könnten den Markt dominieren, während die Schweizer Gestaltungsmöglichkeiten schrittweise schwinden.
Das Schiedsgericht und letztlich der EuGH entscheiden über Streitfragen – Schweizer Souveränität ist begrenzt.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Ja. Das Abkommen überschreitet die rote Linie der Souveränität bei institutionellen Fragen. Die Schweiz verpflichtet sich zur dynamischen Rechtsübernahme, Streitbeilegung erfolgt letztlich unter EU-Vorgabe. Kernzitate: "Die Schweiz erlässt Bestimmungen in ihrer Rechtsordnung oder behält solche bei, um das Ergebnis zu erreichen, das durch die ... integrierten Rechtsakte der Union erzielt werden soll ..." und "Die Rechtsakte der Union, ... werden gemäß ... Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgelegt und angewandt."
Gesamteinschätzung und Fazit.
Mit institutioneller Anbindung ist das Abkommen für die Schweiz als Gesamtpaket risikoreich und potenziell nachteilig, weil der institutionelle Rahmen den Handlungsspielraum massiv einschränkt. Ohne diese Kopplung wäre das Abkommen ein pragmatischer Gewinn und würde die zentrale Schweizer Verkehrsinfrastruktur absichern und weiterentwickeln – ohne Preisgabe der Souveränität.
Analyse Annex 4: Gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen Schweiz–EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) sichert weiterhin, dass Schweizer Produkte in der EU grundsätzlich wie Waren aus EU-Mitgliedstaaten behandelt werden. Für Schweizer Unternehmen bedeutet das: Produkte können nach in der Schweiz anerkannten Prüf- und Zulassungsverfahren in den EU-Markt gebracht werden – ohne zusätzliche Kontrollen oder doppelte Zertifizierung. Das spart Kosten, erleichtert den Marktzugang und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. Neu geregelt wird die automatische Anerkennung weiterer Produktsektoren, sofern sie aufgenommen werden, sowie die fortlaufende Angleichung der technischen Normen. Das sorgt für Planungssicherheit und gleicht regulatorische Hürden ab. Schweizer Prüfstellen behalten ihre Anerkennung. Auch Importeure und Konsumenten profitieren durch mehr Auswahl und stabile Preise. Im Bereich Medizintechnik bleibt der Zugang zur EU grundsätzlich möglich – die Schweiz wird zumindest als Beobachterin in zentrale Gremien eingebunden. Im Alltag der Wirtschaft und Forschung kann das Abkommen Innovationen und Investitionen fördern.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Das Hauptproblem liegt bei der institutionellen Anbindung: Künftig übernimmt die Schweiz dynamisch neue EU-Regelungen für Produkte, Normen und Prüfverfahren – ohne Vetorecht. Sie muss Änderungen nachvollziehen, auch wenn sie nicht im eigenen Interesse liegen. Im Streitfall entscheidet ein Schiedsgericht und bei Auslegungsfragen der Europäische Gerichtshof (EuGH) endgültig. Damit verliert die Schweiz die Kontrolle über die Entwicklung ihres Produktmarkts. Für sensible Bereiche wie Medizintechnik, Arzneimittel oder spezielle Schweizer Standards ist das riskant: Die Schweiz darf mitreden, aber nicht entscheiden. Es besteht die Gefahr, dass EU-Regelungen übernommen werden müssen, die Schweizer Qualitätssicherung schwächen oder den Marktzugang behindern. Die finanzielle Beteiligung an EU-Systemen und Informationsplattformen wird verbindlich geregelt. Neue Vorgaben zu Digitalisierung, Berichts- und Transparenzpflichten oder Datenschutz werden für die Schweiz verbindlich – mit Mehraufwand für Unternehmen und Verwaltung.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Schweizer Hersteller von Maschinen oder Messgeräten können ihre Produkte ohne neue Hürden weiter in der EU verkaufen.
Innovationen im Bereich Umwelttechnik oder Präzisionsprodukte erreichen rascher den EU-Markt, weil die Verfahren anerkannt bleiben.
Im Pharmabereich ist der Export gesichert, solange die gegenseitige Anerkennung funktioniert.
Risiken:
Kommt es zu einer Verschärfung von EU-Anforderungen, muss die Schweiz mitziehen, selbst wenn das Kosten oder Wettbewerbsnachteile bedeutet.
Bei Streit über die Anerkennung einer Schweizer Prüfstelle kann der Marktzugang kurzfristig ausgesetzt werden.
Für einzelne Produktgruppen (z. B. Medizintechnik) droht ein faktischer Ausschluss, falls die EU weitergehende Integrationsschritte verlangt.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Ja. Die dynamische Rechtsübernahme, die Auslegungshoheit des EuGH und das institutionelle Protokoll bedeuten einen massiven Souveränitätsverlust. Die Schweiz kann weder die Entwicklung von Standards beeinflussen noch die Anerkennung eigener Prüfverfahren dauerhaft sichern. Im Konfliktfall hat sie kein Vetorecht.
Gesamteinschätzung.
Mit der roten Linie ist das Abkommen institutionell nicht akzeptabel, weil die Schweiz Kontroll- und Entscheidungskompetenzen abgibt. Kurzfristig sind die Vorteile für den Marktzugang und die Schweizer Exportindustrie unbestritten – doch mittel- bis langfristig sind Innovation, Standards und Qualitätssicherung von EU-Entscheidungen abhängig.
Fazit.
Das MRA bringt wirtschaftlich erhebliche Vorteile und sichert Schweizer Unternehmen und Prüfstellen den Zugang zum EU-Binnenmarkt – solange die EU keine neuen Bedingungen stellt. Die Schweiz zahlt dafür mit Souveränitätsverzicht und dem Risiko, bei jeder künftigen EU-Anpassung mitziehen zu müssen. Ohne rote Linie wäre das Abkommen pragmatisch, mit der roten Linie überwiegen die Risiken.
Analyse Annex 5: Öffentliches Beschaffungswesen Schweiz–EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Annex 5 regelt die gegenseitige Öffnung und Anerkennung im Bereich der öffentlichen Beschaffung (Vergaberecht) zwischen der Schweiz und der EU. Für Schweizer Unternehmen bedeutet das weiterhin einen privilegierten Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in allen EU-Mitgliedstaaten – von grossen Infrastrukturprojekten über Lieferverträge bis zu Dienstleistungen. Das erhöht den Wettbewerb und eröffnet Schweizer Firmen neue Absatzmöglichkeiten in ganz Europa, insbesondere bei internationalen Konsortien oder grenzüberschreitenden Grossprojekten. Die Schweiz kann ihre innovativen Produkte und Dienstleistungen einfacher im EU-Binnenmarkt platzieren.
Zudem profitieren die öffentliche Hand und Steuerzahler in der Schweiz von mehr Wettbewerb: Auch EU-Unternehmen können sich an Schweizer Ausschreibungen beteiligen, was die Auswahl und meist auch das Preis-Leistungs-Verhältnis verbessert. Transparente Regeln und harmonisierte Verfahren sorgen für Planungs- und Rechtssicherheit sowohl für Auftraggeber als auch für Anbieter.
Durch die dynamische Angleichung an neue EU-Standards bleibt der Zugang zum europäischen Markt langfristig gesichert. Die Schweiz ist als Beobachterin in wichtigen EU-Gremien vertreten und kann frühzeitig über geplante Änderungen informiert werden.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Das Hauptproblem bleibt – wie bei den anderen Abkommen – die institutionelle Dynamik: Die Schweiz verpflichtet sich, künftige Änderungen und Erweiterungen der EU-Vergaberichtlinien automatisch zu übernehmen, ohne echtes Mitspracherecht. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet letztlich der EuGH, wobei die Schweizer Rechtsordnung nachziehen muss. Damit gibt die Schweiz wesentliche Elemente ihrer vergaberechtlichen Souveränität preis.
Das Risiko besteht darin, dass neue oder strengere EU-Regelungen, etwa zu Umweltstandards, Sozialkriterien, Digitalisierung oder Transparenz, automatisch für alle Schweizer Ausschreibungen gelten – auch wenn sie den hiesigen Besonderheiten widersprechen oder Kosten/Nutzen verschieben. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) könnten durch immer komplexere Anforderungen und Bürokratie benachteiligt werden, insbesondere im Bau-, Gesundheits- oder IT-Sektor.
Für die öffentliche Hand besteht das Risiko, dass sie weniger flexibel auf lokale Bedürfnisse reagieren kann – etwa bei nachhaltigen Beschaffungen, Regionalförderung oder Innovationsprojekten. Zudem wächst der administrative Aufwand: Alle neuen Meldepflichten, Berichtsformate und digitalen Plattformen der EU müssen laufend adaptiert und eingeführt werden.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Ein Schweizer Ingenieurbüro kann ohne Zusatzaufwand an einer europaweiten Ausschreibung für einen Tunnelbau in Spanien oder Deutschland teilnehmen und gewinnen.
Ein Berner KMU erhält einen Grossauftrag für die Lieferung von Medizintechnik an ein Spital in Frankreich – ohne neue Zulassungshürden.
Risiken:
Die EU verschärft die Kriterien für CO₂-arme Beschaffung. Schweizer Gemeinden müssen teure Umstellungen mitmachen, auch wenn das lokal wenig Sinn ergibt.
KMU aus der Schweiz müssen aufwändige digitale Plattformen nutzen, um sich bewerben zu dürfen – die Kosten und Anforderungen steigen laufend.
Ein Streit über die Vergabe einer Schweizer Staatsanleihe landet vor dem EuGH, der Schweizer Sonderregeln kippt.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Ja, eindeutig. Die Schweiz verpflichtet sich zur dynamischen Rechtsübernahme im Vergaberecht und gibt die Letztentscheidung bei Streitfragen an den EuGH ab. Das ist ein klarer Souveränitätsverlust – nationale Sonderregelungen sind künftig praktisch ausgeschlossen.
Gesamteinschätzung.
Mit institutioneller Anbindung überwiegen die Risiken und Einschränkungen – der Zugang zum europäischen Vergabemarkt ist zwar gesichert, aber die Schweiz verliert ihre vergaberechtliche Eigenständigkeit. Ohne diese Kopplung wäre das Abkommen wirtschaftlich sehr vorteilhaft.
Fazit.
Annex 5 sichert Schweizer Unternehmen und dem öffentlichen Sektor weiterhin Zugang und Wettbewerb im europäischen Vergabemarkt. Die Schweiz zahlt dafür mit einem deutlichen Souveränitätsverlust. Ohne rote Linie wäre das Abkommen pragmatisch, mit roter Linie überwiegen die Nachteile.
Analyse Annex 6: Landverkehr Schweiz–EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Annex 6 regelt den gegenseitigen Zugang und die Liberalisierung im Bereich Landverkehr – insbesondere Strassengüterverkehr, grenzüberschreitende Transporte und Logistikdienstleistungen. Für Schweizer Transportunternehmen bedeutet das weiterhin einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen EU-Ländern und damit Planungssicherheit und Wachstumschancen für den internationalen Warenverkehr. Grenzüberschreitende Transporte, Kabotage und der Zugang zu multimodalen Logistiksystemen werden erleichtert. Neue Bestimmungen zu technischen Standards, Lenk- und Ruhezeiten, Fahrzeugzulassung und Fahrerqualifikation sorgen für einen einheitlichen Rechtsrahmen. Der Marktzugang für innovative Dienstleistungen wird erleichtert, Schweizer Unternehmen können sich leichter an europäischen Ausschreibungen und internationalen Lieferketten beteiligen. Auch im Bereich Umwelt und Verkehrssicherheit gibt es Vorteile, da fortschrittliche EU-Normen übernommen und gegenseitig anerkannt werden. Für Konsumentinnen und Konsumenten können Wettbewerb und Marktöffnung zu mehr Auswahl und tieferen Preisen führen.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Auch im Landverkehr übernimmt die Schweiz künftig dynamisch alle neuen und künftigen EU-Regelungen. Das bedeutet, dass die Schweiz kein Vetorecht mehr hat, sondern neue Normen automatisch übernehmen muss – auch dann, wenn diese die Schweizer Branchenstrukturen, Kosten oder Umweltpolitik verschlechtern. Bei Meinungsverschiedenheiten ist der EuGH Letztentscheider. Das Schweizer System, das stark auf Bahnförderung und Alpenschutz ausgerichtet ist, kann durch die automatische Übernahme von EU-Regeln ausgehöhlt werden. Für Transportunternehmen kann der zunehmende Wettbewerb durch EU-Anbieter ein Risiko werden, gerade für kleinere Betriebe oder im Bereich Spezialtransporte. Kosten für Flottenanpassung, Digitalisierung, Bürokratie und laufende Weiterbildung steigen. Sozialstandards und Arbeitsbedingungen werden künftig nach EU-Norm definiert. Für Behörden bedeutet das Abkommen mehr Verwaltungsaufwand, laufende Anpassungen und kaum noch nationale Gestaltungsspielräume.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Ein Schweizer Transportunternehmen kann neue Kunden in der ganzen EU ohne Zusatzbewilligungen bedienen und Teil grosser Lieferketten werden.
Umwelt- und Sicherheitsinnovationen lassen sich in der EU und in der Schweiz gleichzeitig ausrollen.
Schweizer Konsumentinnen profitieren von günstigen und flexiblen Logistik- und Paketdiensten.
Risiken:
Die EU senkt technische oder soziale Mindeststandards, die Schweiz muss mitziehen – das schwächt den Schutz der Alpen und die Qualität der Arbeitsbedingungen.
Schweizer Lkw-Unternehmen geraten bei steigender Konkurrenz aus dem EU-Ausland unter Kostendruck.
Eine neue EU-Regel hebt nationale Sonderabgaben oder Verkehrslenkungen auf – die Schweiz verliert ein wichtiges Steuerungsinstrument.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Ja. Wie bei den anderen Annexen übernimmt die Schweiz dynamisch künftige EU-Regelungen und gibt die Letztentscheidung an den EuGH ab. Nationale Souveränität und Gestaltungsspielraum im Verkehrsbereich sind damit faktisch aufgegeben.
Gesamteinschätzung.
Kurzfristig bietet das Abkommen den Unternehmen Planungssicherheit und Marktchancen, langfristig aber ist die Aufgabe der Souveränität und der Kontrollverlust über die zentrale Verkehrs- und Umweltpolitik zu gross. Ohne rote Linie wäre das Abkommen wirtschaftlich und organisatorisch ein Gewinn; mit der aktuellen institutionellen Einbindung überwiegen die Risiken.
Fazit.
Annex 6 sichert Zugang, Wettbewerb und Innovation im europäischen Landverkehr – doch um den Preis eines Souveränitätsverlusts, der insbesondere für die Schweizer Verkehrs- und Umweltpolitik schwerwiegende Folgen haben kann.
Analyse Annex 7: Gesundheit Schweiz–EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Annex 7 verankert die Schweiz fest im europäischen Gesundheitsschutz-Netzwerk. Die Schweiz nimmt künftig vollumfänglich am Frühwarn- und Reaktionssystem für grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren teil, hat Zugang zu gemeinsamen Überwachungs- und Informationssystemen sowie zum Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Damit erhält die Schweiz schnelleren Zugang zu epidemiologischen Daten, Warnungen und zu koordinierten Notfallmassnahmen auf EU-Ebene. Forschende, Behörden und Labors der Schweiz profitieren vom Wissens- und Datenaustausch und können an EU-Programmen (wie EU4Health) mitwirken, inklusive gemeinsamer Beschaffungen im Gesundheitswesen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Krisen wird massiv gestärkt – auch, weil die Schweiz bei wichtigen Entscheidungsprozessen im ECDC mit am Tisch sitzt (wenn auch ohne Stimmrecht). Schweizer Bürger profitieren von höherer Sicherheit, Frühwarnung und schnellerer Krisenkoordination im europäischen Umfeld.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Institutionell bindet sich die Schweiz voll an die Dynamik und Auslegung des EU-Gesundheitsrechts: Neue und künftige EU-Regelungen zu Prävention, Krisenmanagement, Surveillance, Datenschutz usw. müssen automatisch übernommen werden. Die Schweiz verliert das Vetorecht und gibt bei Streitigkeiten die letzte Entscheidungsgewalt an den EuGH ab. Nationale Sonderregelungen sind kaum noch möglich. Finanziell trägt die Schweiz einen substantiellen Beitrag an die Agenturen und Systeme der EU, ohne volles Stimmrecht in deren Gremien. Bei Nicht-Einhaltung von Zahlungen kann die EU die Schweizer Teilnahme einfach aussetzen. Ein Risiko: EU-Standards oder Beschaffungslogiken können den Schweizer Besonderheiten widersprechen oder hohe Folgekosten auslösen. Im Krisenfall gibt es eine starke Integration – aber nur bedingte Mitsprache. Es besteht zudem das Risiko, dass datenschutzrechtliche, arbeitsrechtliche oder föderale Schweizer Besonderheiten durch zentrale EU-Regulierung unterlaufen werden.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Bei einer neuen Pandemie erhält die Schweiz gleichzeitig mit der EU alle Frühwarnungen, kann Impfstoffe, Medikamente und medizinische Güter im Rahmen der EU gemeinsam beschaffen.
Schweizer Labors und Epidemiologen sind in internationalen Teams und Netzwerken eingebunden; die Schweiz profitiert von EU-weiten Datensammlungen zu neuen Erregern.
Risiken:
Die EU beschliesst neue, teure Meldepflichten oder Überwachungssysteme, die die Schweizer Verwaltung und das Gesundheitssystem stark belasten.
Datenschutzregeln der EU werden angepasst, Schweizer Labors müssen ihre IT-Systeme und Prozesse teuer umbauen.
Im Streitfall entscheidet der EuGH, und die Schweiz muss bei einer Meinungsverschiedenheit ihre Praxis umstellen.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Ja. Auch hier gilt die vollständige dynamische Rechtsübernahme, und die Letztentscheidung liegt beim EuGH. Damit gibt die Schweiz zentrale Souveränitätsrechte im Gesundheitsbereich ab und kann kaum noch eigenständig Ausnahmen oder Anpassungen durchsetzen.
Gesamteinschätzung.
Fachlich bringt das Abkommen grosse Vorteile für Seuchenschutz, Notfallmanagement und internationale Vernetzung. Institutionell überwiegt aber der Verlust an Eigenständigkeit: Die Schweiz wird zur „EU-Region“ im Bereich Gesundheitssicherheit – mit allen Rechten und Pflichten, aber ohne gleichwertige Mitsprache.
Fazit.
Annex 7 ermöglicht der Schweiz eine moderne, schnelle Gesundheitskooperation mit der EU, reduziert aber die demokratische Kontrolle und nationale Flexibilität massiv. Ohne die „rote Linie“ wäre das Abkommen ein Gewinn, mit der institutionellen Anbindung bleibt es hochriskant für die Selbstbestimmung im Gesundheitsbereich.
Analyse Annex 8: Regelmässiger finanzieller Beitrag Schweiz–EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Annex 8 regelt und institutionalisiert erstmals verbindlich die „Kohäsionsmilliarde(n)“ als regelmässigen Beitrag der Schweiz zur Förderung von wirtschaftlichem und sozialem Ausgleich in der EU – vor allem zugunsten wirtschaftlich schwächerer Mitgliedstaaten. Damit sichert sich die Schweiz grundsätzlich stabile bilaterale Beziehungen und verbessert ihr Standing in Brüssel. Politisch dient der Beitrag als Eintrittsticket zu zahlreichen anderen Abkommen (Marktzugang, Programme, Forschung, Binnenmarkt etc.). Die Schweiz erhält formal Mitsprache bei der Verwendung der Gelder und kann Schwerpunkte (z. B. Innovation, Bildung, nachhaltige Entwicklung, Migration) in bilateralen Vereinbarungen mitbestimmen. Ein Anteil der Mittel kann für Projekte mit unmittelbarem Bezug zur Schweiz eingesetzt werden, insbesondere bei Migration oder im Bereich Fachkräftebindung. Das Image der Schweiz als solidarischer Partner wird gestärkt.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Mit Annex 8 verpflichtet sich die Schweiz auf unbestimmte Zeit zu hohen, regelmässig steigenden Zahlungen an die EU – unabhängig von wirtschaftlicher Lage oder politischer Stimmung. Die Höhe des Beitrags wird automatisch anhand von EU-Budgets, Inflationsausgleich und politischen Kriterien angepasst und ist praktisch nicht mehr einseitig kündbar. Im Streitfall über Höhe oder Verwendung der Mittel entscheidet ein bilaterales Schiedsgericht – Schweizer Sonderwünsche können überstimmt werden. Ein erheblicher Teil der Gelder fliesst in Länder und Projekte, bei denen die Schweiz wenig Kontrolle über Umsetzung, Transparenz und Zielerreichung hat. Das Kriterium der „gemeinsamen Herausforderungen“ kann von der EU weit interpretiert werden, sodass auch politische Wünsche der EU mitfinanziert werden müssen. Die Pflicht zur Zahlung bleibt auch dann bestehen, wenn andere Teile des bilateralen Pakets ausgesetzt oder aufgekündigt werden.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Die Schweiz wird als „verlässlicher Partner“ in der EU wahrgenommen und bleibt bei Forschungs-, Bildungs- und Marktprogrammen vollwertig dabei.
Schweiz kann Innovationsprojekte in Osteuropa, Migrationsthemen oder Klimaprojekte mit Schweizer Expertise mitprägen.
Risiken:
Die EU dehnt den Zweck des Kohäsionsfonds laufend aus; die Schweiz muss nachzahlen, auch wenn der Mehrwert für sie gering ist.
Im politischen Streitfall droht Erpressung: Kein Zugang zu Forschungsprogrammen, wenn Kohäsionszahlungen nicht erfolgen.
Ein Teil der Zahlungen wird ineffizient verwendet oder ist mit Korruptionsrisiken behaftet.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Ja. Der Beitrag ist institutionell und völkerrechtlich eng an das gesamte Vertragswerk gekoppelt, die Zahlungspflicht ist dynamisch und von Schweizer Seite nicht mehr politisch steuerbar. Souveränität über Umfang und Verwendungszweck wird weitgehend abgegeben.
Gesamteinschätzung.
Annex 8 sichert der Schweiz kurzfristig Stabilität in den Beziehungen zur EU und eröffnet Zugang zu wichtigen Märkten und Programmen – doch der Preis ist ein dauerhafter Zahlungsautomatismus, der sich der demokratischen Kontrolle entzieht und politische Abhängigkeiten schafft.
Fazit.
Finanzielle Solidarität ist für ein gutes Verhältnis zur EU wichtig. Die Schweiz macht sich mit diesem Annex aber auf Jahre hinaus zur zahlungspflichtigen Passivpartnerin, ohne wirksame Mitsprache über Höhe, Verwendung oder Zielsetzung der Beiträge. Die institutionelle Koppelung ist das eigentliche Risiko.
Analyse Annex 9: Teilnahme der Schweiz an Programmen der Union (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Forschung & Innovation: Schweizer Forschende, Unternehmen, Hochschulen und Start-ups erhalten wieder vollen Zugang zu den wichtigsten EU-Programmen, insbesondere Horizont Europa (größtes europäisches Forschungsrahmenprogramm), Euratom (Kernforschung), dem Digitalprogramm der EU und Erasmus+ (Austausch, Bildung, Jugend).
Fördermittel & Projekte: Schweizer Akteure können sich an europäischen Konsortien beteiligen und direkt um EU-Fördermittel bewerben. Dadurch erhöht sich die Wettbewerbsfähigkeit und internationale Vernetzung.
Mobilität & Bildung: Studierende, Dozierende und Lernende profitieren vom vereinfachten Austausch mit Partnerländern, dualen Bildungsangeboten und gemeinsamen Projekten. Für viele Bereiche wird der Status von vor 2021 wiederhergestellt oder sogar verbessert.
Innovation & Wettbewerbsfähigkeit: Schweizer Unternehmen profitieren vom Zugang zu Innovationsnetzwerken, Märkten, Digitalisierungsprogrammen und gemeinsamen europäischen Plattformen (z. B. KI, HPC, Datenräume).
Mitwirkung bei Megaprojekten: Die Schweiz bleibt Partnerin bei Zukunftsprojekten wie ITER (Kernfusion), kann eigenes Know-how einbringen und erhält Zugang zu den global führenden Infrastrukturen.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Finanzielle Verpflichtung: Die Schweiz zahlt jährlich hohe Beiträge in den EU-Topf, deren Höhe sich am Schweizer BIP und dem EU-Haushalt bemisst. Die Beiträge steigen automatisch, mit nur geringen Mitgestaltungsmöglichkeiten.
Kein Stimmrecht: Die Schweiz ist nur assoziiertes Mitglied. In strategischen Ausschüssen, welche die Programme steuern, hat sie Beobachterstatus – aber keine Stimme.
Ausschlussgefahr & Unsicherheit: Bei politischen Streitigkeiten (z. B. bei Nichtzahlung der Beiträge, institutionellen Differenzen) kann die EU den Zugang zu den Programmen einseitig aussetzen oder beenden. Schweizer Forschende und Unternehmen wären dann erneut blockiert.
Bürokratische Hürden: Die Schweiz akzeptiert umfassende Kontrollen, Audits und Sanktionen durch EU-Institutionen (inkl. OLAF), auch auf Schweizer Boden. Streitigkeiten werden nach EU-Regeln gelöst.
Rechtsdynamik: Bei Änderungen im EU-Recht passen sich die Bedingungen laufend an. Die Schweiz muss nachziehen – ohne eigene Gesetzgebung oder Referendum.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Schweizer Universitäten gewinnen Nobelpreisträger*innen und Spitzenforschende durch attraktive Förderprogramme.
Start-ups und KMU erhalten EU-Förderung, gewinnen internationale Partner und wachsen schneller.
Schweizer Studierende absolvieren Praktika in ganz Europa, Abschlüsse werden leichter anerkannt.
Risiken:
Im Streitfall (z. B. Blockade bei Kohäsionsbeiträgen) werden Schweizer Partner aus Konsortien ausgeschlossen, Projekte platzen.
Die Schweiz zahlt Jahr für Jahr Millionen, auch wenn der unmittelbare Nutzen schwankt oder abnimmt.
Die EU kann einzelne Programme, auf die sich die Schweiz stützt, jederzeit einstellen oder die Bedingungen verschärfen.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Tendenziell Ja. Die Schweiz akzeptiert dynamische Rechtsübernahme, einseitige Steuerung durch die EU und verliert jegliches Mitspracherecht bei der Programmgestaltung. Die Souveränität, Förderprioritäten und Förderbedingungen werden langfristig ausgelagert.
Gesamteinschätzung.
Annex 9 bringt für Wissenschaft, Bildung und Innovation substanzielle Vorteile und sichert Schweizer Akteuren wieder den Zugang zur europäischen Spitzenforschung, aber der Preis ist hoch: finanzielle Abhängigkeit, institutionelle Unterordnung und keine eigene Entscheidungsbefugnis über künftige Förderbedingungen. Der strategische Nachteil: Wer zahlt, aber nicht (mit)entscheidet, ist auf Dauer von Wohlwollen und politischer Wetterlage abhängig.
Fazit.
Annex 9 ist für die Innovationskraft der Schweiz fast unverzichtbar – aber institutionell riskant. Die Vorteile für Forschung, Bildung und Technologie sind groß. Die Risiken liegen in der politischen und finanziellen Abhängigkeit, der einseitigen Rechtsdynamik und dem dauerhaften Verlust der Steuerungshoheit.
Analyse Annex 10: Beteiligung Schweiz an der EU-Agentur für das Weltraumprogramm (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Vollwertige Einbindung: Die Schweiz bleibt integraler Bestandteil des europäischen Weltraumprogramms (insbesondere Galileo und EGNOS) und kann an wichtigen europäischen Raumfahrt-, Navigations- und Erdbeobachtungsprojekten weiterhin teilnehmen. Das sichert Hightech-Jobs, Innovation und Know-how für die Schweiz.
Zugang zu Daten & Infrastruktur: Schweizer Behörden, Unternehmen und Forschungseinrichtungen erhalten Zugang zu europäischen Satellitendaten, Präzisionsnavigation und sicherheitskritischen Diensten. Dies fördert digitale Innovationen (z. B. Landwirtschaft, Logistik, Umweltüberwachung, autonomes Fahren).
Industrie- und Wissenschaftschancen: Schweizer Firmen und Institute können an europäischen Ausschreibungen, Beschaffungen und F&E-Projekten mitwirken, erhalten Zugang zu neuen Märkten und sichern internationale Kooperationen ab.
Sicherheitsarchitektur & Frühwarnsysteme: Durch die Teilnahme am europäischen Sicherheitsnetzwerk werden die Resilienz und die Krisenfähigkeit der Schweiz gestärkt.
Mitwirkung bei Standards: Die Schweiz ist in den relevanten EU-Gremien zumindest als Beobachter vertreten und kann ihre Interessen einbringen.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Kein Stimmrecht: Die Schweiz hat in den wichtigsten Gremien der Agentur (Verwaltungsrat, Sicherheitsakkreditierung) nur Beobachterstatus. Sie kann sich einbringen, aber nicht entscheiden.
Finanzielle Verpflichtungen: Die Schweiz leistet einen jährlichen Beitrag, dessen Höhe an das Schweizer BIP gekoppelt ist. Die Teilnahmegebühr steigt (von 2 % auf 4 % des Beitrags), kann aber durch Ausschussbeschluss weiter erhöht werden.
Dynamische Übernahme & Kontrollrechte: Änderungen am EU-Weltraumrecht und an den Programmen müssen automatisch übernommen werden, ohne dass die Schweiz ein Vetorecht hat.
EuGH-Zuständigkeit: Bei Streitfällen und für die Agentur selbst erkennt die Schweiz die Zuständigkeit des EuGH an, verliert damit einen Teil ihrer gerichtlichen Souveränität.
Vorrechte & Befreiungen: Die Agentur und deren Personal erhalten weitreichende Privilegien in der Schweiz (Steuern, Sozialversicherung, Gerichtsbarkeit). Die Schweizer Behörden haben nur begrenzt Einfluss auf deren Ausgestaltung.
Finanzkontrollen: EU-Institutionen (Kommission, OLAF, Rechnungshof) dürfen in der Schweiz bei allen Programmteilnehmenden Kontrollen und Prüfungen vor Ort durchführen, auch ohne Zustimmung der Schweiz.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Schweizer Start-ups entwickeln Galileo-Anwendungen und vermarkten diese europaweit.
Die Schweiz kann nationale Sicherheitsprojekte auf Basis von EU-Satellitendiensten aufbauen.
Risiken:
Die EU passt technische oder rechtliche Vorgaben an, die Schweiz muss kostenintensive Systemanpassungen umsetzen.
Die Teilnahmegebühr steigt über die Jahre, ohne dass die Schweiz dagegen intervenieren kann.
Ein Streitfall landet vor dem EuGH, der gegen die Schweizer Praxis entscheidet.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Ja. Die Schweiz übernimmt dynamisch neues EU-Recht, verliert die gerichtliche Letztentscheidung und gibt Kontrollrechte an EU-Institutionen ab. Ihr Handlungsspielraum im Bereich Raumfahrtpolitik, Datenmanagement und Förderung wird institutionell klar eingeschränkt.
Gesamteinschätzung.
Annex 10 ist aus wirtschaftlicher und technologischer Sicht für die Schweiz wertvoll, weil er Zugang zu den wichtigsten europäischen Raumfahrtprojekten und Anwendungen sichert. Institutionell verliert die Schweiz aber an Eigenständigkeit, Mitspracherecht und Kontrolle über Personal, Recht, Finanzen und Sicherheitsstandards.
Fazit.
Annex 10 bringt der Schweiz Zugang zu Technologie und Innovation, aber zum Preis klarer Souveränitätsverluste. Ohne rote Linie wäre die Teilnahme pragmatisch und chancenreich. Mit der institutionellen Bindung an EU-Recht und -Kontrolle ist das Risiko für nationale Interessen und die Unabhängigkeit hoch.
Analyse Annex 11: Parlamentarische Zusammenarbeit Schweiz–EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Annex 11 regelt und institutionelliert erstmals einen Gemischten Parlamentarischen Ausschuss zwischen dem Europäischen Parlament und der Schweizer Bundesversammlung. Dies ist ein bedeutender Fortschritt für den politischen Dialog, weil erstmals ein offizielles Gremium für Austausch, Information und Diskussion über die Entwicklung und Umsetzung des gesamten bilateralen Pakets geschaffen wird. Schweizer Parlamentarier können so den direkten Kontakt zu EU-Parlamentariern pflegen, Sachthemen direkt adressieren und Informationsdefizite abbauen.
Der Ausschuss kann von beiden Seiten Informationen zur Umsetzung der bilateralen Abkommen einfordern, wird regelmässig über die Arbeit der anderen gemischten Ausschüsse informiert und kann eigene Empfehlungen abgeben. Damit gibt es erstmals eine institutionelle Plattform, die auch kritische oder kontroverse Entwicklungen thematisieren kann – was bisher so nicht möglich war. Das fördert Transparenz, politische Lernprozesse und wechselseitiges Verständnis.
Ein Vorteil ist zudem, dass der Ausschuss paritätisch besetzt ist (gleich viele Schweizer wie EU-Mitglieder), mindestens jährlich tagt und sich seine Geschäftsordnung selbst gibt. Die Möglichkeit, Empfehlungen abzugeben, gibt der Schweizer Politik einen gewissen Hebel im europäischen Diskurs.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Die Kompetenzen des Parlamentarischen Ausschusses bleiben aber ausschliesslich beratend. Es gibt kein Mitentscheidungsrecht, keine Vetomöglichkeit und keine verbindlichen Rechte, politische Beschlüsse zu beeinflussen. Die Rolle des Schweizer Parlaments bleibt damit weitgehend auf die Beobachtung und das Kommentieren beschränkt – die eigentlichen Entscheide werden weiterhin durch die Exekutive und in den gemischten Ausschüssen auf Regierungsebene gefällt.
Im Konfliktfall oder bei gravierenden Abweichungen bleibt dem Ausschuss nur das Recht, Informationen einzufordern oder Empfehlungen auszusprechen – ein direkter politischer Einfluss besteht nicht. Die Existenz des Gremiums kann zudem von der EU-Seite als Erfüllung von Transparenzpflichten verkauft werden, ohne reale Mitbestimmung zu gewähren.
Das Protokoll kann zwar jederzeit von beiden Seiten geändert oder gekündigt werden, aber es gibt keine institutionelle Sicherung der Mitwirkung, keine Sanktionen und keinen Automatismus, wie Empfehlungen in der Praxis beachtet werden müssen.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Schweizer Parlamentarier können frühzeitig auf kritische Entwicklungen in der Umsetzung der bilateralen Abkommen aufmerksam machen und öffentlich Druck aufbauen.
Erfahrungs- und Wissensaustausch zu Best Practices zwischen der Schweiz und EU-Parlamenten.
Risiken:
Die Empfehlungen des Ausschusses werden ignoriert, weil sie politisch nicht verpflichtend sind.
Der Ausschuss wird zur reinen Feigenblatt-Institution, ohne Wirkung auf den politischen Entscheidungsprozess.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Nein. Im Unterschied zu den anderen Annexen betrifft Annex 11 keine automatische Rechtsübernahme, keine EuGH-Kompetenz und keine Souveränitätsübertragung. Es handelt sich um ein rein beratendes, dialogisches Gremium.
Gesamteinschätzung.
Annex 11 schafft einen echten Mehrwert für die politische Debatte und Transparenz, allerdings ohne verbindlichen Einfluss auf den Kurs der bilateralen Beziehungen. Die Schweiz bleibt im parlamentarischen Dialog auf Augenhöhe, aber ohne Mitentscheidungsrecht.
Fazit.
Der gemischte Parlamentarische Ausschuss stärkt den politischen Austausch und die demokratische Kontrolle, auch wenn seine Kompetenzen begrenzt bleiben. Annex 11 ist institutionell unbedenklich und kann die Qualität der Zusammenarbeit positiv beeinflussen.
Analyse Annex 12: Gemeinsame Erklärung zum Hochrangigen Dialog Schweiz–EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Annex 12 etabliert einen hochrangigen, institutionellen Dialog zwischen der Schweiz und der EU auf Ministerebene. Ziel ist es, die Umsetzung und Weiterentwicklung des gesamten bilateralen Pakets zu begleiten und strategische Fragen der Partnerschaft regelmässig gemeinsam zu reflektieren. Durch den jährlichen Wechsel des Tagungsorts (Schweiz/Brüssel) entsteht eine sichtbare, kontinuierliche Plattform für politische Verständigung und die Überprüfung des Fortschritts. Die Schweiz kann dabei Anliegen, Erfahrungen und Herausforderungen im direkten Gespräch auf höchster Ebene einbringen und frühzeitig auf politische oder technische Probleme aufmerksam machen.
Die Erklärung sieht vor, dass Fragen von gemeinsamem Interesse (insbesondere zur Teilnahme der Schweiz am Binnenmarkt oder zu neuen Partnerschaftsformaten) offen diskutiert werden können. Damit bleibt die politische Entwicklung der Beziehungen flexibel. Die Schweiz erhält zudem regelmässigen Einblick in die Arbeit der gemischten Ausschüsse und kann die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit aktiv begleiten.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Der hochrangige Dialog ist rein konsultativ – er besitzt keine Entscheidungs- oder Vetofunktion. Die Ergebnisse und Diskussionen sind rechtlich unverbindlich und haben keinen direkten Einfluss auf die laufenden Verträge oder ihre Auslegung. Es besteht das Risiko, dass der Dialog zur bloßen Symbolik wird und faktisch wenig bewirkt, insbesondere wenn eine Seite strukturelle Probleme oder Kritikpunkte nicht aufgreifen möchte.
Die jährlichen Treffen und die begleitenden Arbeitsstrukturen binden personelle und diplomatische Ressourcen. Es ist möglich, dass der Dialog genutzt wird, um politische Differenzen „wegzumoderieren“, ohne substantielle Lösungen für Streitpunkte zu erarbeiten. Die Schweiz könnte zudem unter Druck geraten, bei künftigen Weiterentwicklungen oder Erweiterungen des Pakets zusätzliche Zugeständnisse zu machen.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
Die Schweiz bringt beim jährlichen Dialog frühzeitig Probleme bei der Umsetzung eines Abkommens ein und initiiert gezielte Verbesserungen.
Neue Kooperationsprojekte oder Herausforderungen werden auf politischer Ebene rasch identifiziert und gemeinsam angegangen.
Risiken:
Politisch brisante Fragen werden wiederholt vertagt, ohne dass echte Lösungen entstehen.
Der Dialog verkommt zum reinen „Pflichttermin“, ohne konkreten Mehrwert für die Schweiz.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Nein. Die Gemeinsame Erklärung ist konsultativ und dialogorientiert, ohne automatische Rechtsübernahme oder institutionellen Kontrollverlust. Es entstehen keine neuen völkerrechtlichen Verpflichtungen, keine Aufgabe von Souveränität oder demokratischer Kontrolle.
Gesamteinschätzung.
Annex 12 schafft ein politisches Instrument, das die strategische Steuerung und Überprüfung der bilateralen Beziehungen erleichtert. Die Wirkung hängt jedoch stark vom politischen Willen beider Seiten ab, die Plattform aktiv für Problemlösungen und Weiterentwicklungen zu nutzen.
Fazit.
Der Hochrangige Dialog ist ein sinnvolles Instrument zur Pflege und Weiterentwicklung der Beziehungen – solange er ernsthaft geführt wird. Er ist institutionell unbedenklich, ersetzt aber keine verbindlichen Entscheidungsmechanismen.
Analyse Annex 13: Gemeinsame Erklärungen Schweiz–EU (Juli 2025).
Vorteile und neue Chancen für die Schweiz.
Annex 13 bündelt eine Reihe gemeinsamer Erklärungen, die im Kontext des Gesamtpakets Schweiz–EU abgegeben werden – zu Freizügigkeit, Arbeitsmarkt, Sozialhilfe, Kontrollen, Anerkennung von Qualifikationen, Entsendung, Dienstleistungen, Gleichbehandlung, Lohnschutz und zur Rolle der Schweiz in diversen EU-Systemen.
Vorteile sind insbesondere:
Klarstellung der Schweizer Interessen: Die Schweiz hält in vielen Punkten explizit fest, dass sie ihre bestehenden Kontroll- und Schutzsysteme (Meldeverfahren, Lohnschutz, dualer Vollzug) weiterführen kann.
Präzisierung von Grenzen der Freizügigkeit: Das Abkommen bestätigt, dass Unionsbürger/innen und Schweizer/innen die Sozialhilfesysteme nicht übermässig belasten sollen; Sozialhilfebezug und Aufenthaltsrecht können restriktiv gehandhabt werden.
Wahrung nationaler Eigenheiten: Die Schweiz kann spezifische Meldeverfahren (Stellenmeldepflicht, RAV), Grenzgängerregistrierung und duales Vollzugssystem fortführen und sichert zu, Missbrauch bei Kurzzeit- und Entsendetätigkeit zu bekämpfen.
Beteiligung als Beobachter: Die Schweiz bleibt bei der EU-Arbeitsbehörde, bei der Qualifikationsanerkennung, bei EURES und anderen Strukturen zumindest als Beobachterin vertreten.
Präzisierung im Beihilfenrecht: Bei staatlichen Beihilfen in Luftverkehr, Eisenbahn oder Strom kann die Schweiz Konsultationen verlangen, wenn sie Benachteiligungen sieht.
Anerkennung von Besonderheiten: Einzelne Erklärungen sichern Schweizer Sonderfälle und Übergangsregelungen (Taktfahrplan, Kapazitätsmanagement Eisenbahn, Anerkennung Diplome) ab.
Nachteile und neue Risiken für die Schweiz.
Rechtlich unverbindlich: Die Erklärungen sind politisch bedeutsam, aber rechtlich meist nicht einklagbar. Sie bieten Interpretationsspielraum, aber keine Garantie auf Durchsetzung.
Einseitige Rechtsdynamik bleibt: Viele „Klarstellungen“ gelten nur im Rahmen der dynamischen Rechtsübernahme und der Auslegung durch den EuGH; bei künftigen Streitigkeiten entscheidet letztlich das EU-System.
Vage Formulierungen: Manche Formulierungen sind bewusst offen, so dass spätere Anpassungen oder Interpretationen durch die EU möglich bleiben (z. B. bei 90-Tage-Regel, Grenzgänger, Meldeverfahren).
Schweizer Verpflichtungen: Die Schweiz verpflichtet sich zur Missbrauchsbekämpfung, Lohnschutz und Gleichbehandlung, ohne dass festgelegt wird, wie Abweichungen oder Meinungsverschiedenheiten gelöst werden.
Keine echten Ausnahmen bei zentralen Punkten: Bei der Unionsbürgerschaft, dem Zugang zum Arbeitsmarkt oder bei den Kontrollen wird klargestellt, dass der institutionelle Rahmen (inkl. EuGH-Auslegung) immer Vorrang hat.
Beispielhafte Szenarien.
Chancen:
- Die Schweiz kann weiterhin Lohnschutz, Meldepflichten und das duale Vollzugssystem für entsandte Arbeitnehmende beibehalten.
- Bei befürchtetem Sozialhilfemissbrauch kann restriktiver vorgegangen werden, ohne gegen das Abkommen zu verstossen.
Risiken:
- Bei Meinungsverschiedenheiten zur Anwendung der Erklärungen bleibt das letzte Wort bei der Auslegung durch den Gemischten Ausschuss und den EuGH.
- Im Alltag können EU-Institutionen die rechtliche Dynamik gegen Schweizer Sonderregeln auslegen, Erklärungen werden faktisch entwertet.
Überschreitet das Abkommen die „rote Linie“?
Teilweise. Die Erklärungen bieten Interpretationshilfe und politische Klarstellung, ändern aber nichts an der institutionellen Dynamik und der Vorrangstellung von EU-Recht und EuGH. Sie ersetzen keine echten Ausnahmeregelungen oder Vetorechte. Insbesondere bei Missbrauch, Lohnschutz, Dienstleistungen, Beihilfen und Qualifikationsanerkennung bleibt die Letztkontrolle beim institutionellen System.
Gesamteinschätzung.
Annex 13 ist wichtig für die politische Kommunikation und hilft, Schweizer Bedenken und Forderungen sichtbar zu machen. Rechtlich schafft er aber keine neuen Schutzmechanismen und ändert nichts an der systematischen Dynamik des Gesamtpakets. Die politische Bedeutung kann gross sein – die rechtliche Bindung bleibt schwach.
Fazit.
Annex 13 bringt Klarstellungen und politische Bekenntnisse, ist aber kein wirksamer institutioneller Schutzschild. Die Schweiz gewinnt Spielraum in der Interpretation, verliert ihn aber bei künftigen Rechtsentwicklungen und bei Streitfragen wieder. Er ist wichtig für die Akzeptanz, schwach in der Durchsetzung.
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Das Paket Schweiz-EU muss nachverhandelt werden.
Hier finden Sie die Stellungnahme von smartmyway zum Paket Schweiz-EU im Rahmen der offiziellen Vernehmlassung.
(c) 2016: Gewittersturm, Cademario, Kanton Tessin, Schweiz, Foto: Roland Voser.
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Seit 2018 Chief Editor, Mitbegründer, Verwaltungsrat und Teilhaber von smartmyway, Autor, Coach, Mentor und Berater. Vorher als Geschäftsführer von Media Markt E-Commerce AG, Media Markt Basel AG, Microspot AG sowie in den Geschäftsleitungen von Interdiscount AG und NCR (Schweiz) AG tätig. Heute Digital Business Coach und Schreiberling.
Experte für Digitalisierung, Agile SW-Entwicklung, Digital-Business, Handel, Sales & Marketing, E-Commerce, Strategie, Geschäftsentwicklung, Transformationen, Turn Around, Innovation, Coaching, erneuerbare Energien, Medien, Professional Services, Category Management, Supply Chain Management