Viel Gutes reicht noch nicht.

Der Kanton Aargau revidiert seine Energiestrategie. Im Rahmen der Anhörung zum Entwurf energieAARGAU2025 haben wir dazu unsere Gedanken festgehalten und eine Einschätzung vorgenommen. Wir kommen zum Schluss, dass die Richtung stimmt, der Stand jedoch noch nicht ausreicht. Die Revision soll per Ende 2025 entschieden sein.
Derzeit ist die Anhörung zum Revisionsentwurf der Energiestrategie des Kantons Aargau im Gange. Die aktuell geltende Version stammt aus dem Jahre 2015. Wir haben uns dem Thema angenommen und das umfangreiche Dossier studiert. Eines war rasch klar: Die Materie ist äusserst vielfältig, und es würde nicht einfach werden, sich hier einen stichhaltigen Überblick zu verschaffen. Wir haben es trotzdem getan und teilen im folgenden Artikel unsere Einschätzung. Wir haben diese Grundempfehlung dem Projektteam des Kantons als Eingabe zur Verfügung gestellt.
Dabei soll die wertvolle Arbeit des Kantons und aller Beteiligten konstruktiv gewürdigt werden, denn sie haben einen eindrücklichen Stand erreicht. Trotzdem ist die Messlatte klar: Diese Energiestrategie wird massgebend die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Aargau beeinflussen, wenn nicht entscheiden. Wir müssen also ein vitales Interesse an der besten Strategie haben und dürfen uns nicht zu rasch zufriedengeben. Denn eines ist klar: Es geht um unseren Wohlstand, den sozialen Frieden und die Weiterentwicklung unserer offenen und verantwortungsvollen Gesellschaft. Wir nehmen heute die Verantwortung für die kommenden Generationen wahr. Diese Diskussion soll nicht nur in den Fachgremien und politischen Instanzen geführt werden; vielmehr ist ein breiter Diskurs notwendig, wenn das Projekt erfolgreich werden soll. Wir schätzen es ausserordentlich, dass wir als Unbeteiligte, aber Betroffene, mit der Anhörung die Chance erhalten haben, unsere Meinung bereits jetzt und nicht erst an der Urne kundzutun.
Wir haben uns also in die Rolle der “kleinen” Energieverbraucher, Stromkonsumenten und Stromproduzenten versetzt und unter diesem Gesichtspunkt den Strategieentwurf unter die Lupe genommen und die Erkenntnisse festgehalten. Sie sind möglicherweise hart, aber fair und wichtig: Wir kommen zum Schluss, dass der Energiekanton Aargau Gefahr läuft, seine diesbezüglich starke Position zu verlieren, weil die jetzt vorliegende Energiestrategie nicht ausreichend deutlich Versorgungssicherheit und Klimaneutralität per 2050 ins Zentrum stellt und nicht konsequent genug alle relevanten Stakeholder/Massnahmen darauf ausrichtet.
Sie läuft Gefahr, sich zu verzetteln und zu wenig Verbindlichkeit zu schaffen. Es bleibt unklar, welche quantitativen Beiträge die aufgeführten Massnahmen tatsächlich leisten und ob deren Summe den zukünftigen Energiebedarf voraussichtlich decken wird. Ein schlüssiger Plan bis 2050 fehlt unseres Erachtens und damit auch die Gesamtsicht. Daraus ergibt sich eine zu grosse Unschärfe, was für die damit einhergehende und zu leistende substantielle und existentielle Gesellschaftsveränderung nicht reicht. Wir wollen ja nicht weniger, als den Wandel vom quantitativen hin zum qualitativen Wachstum schaffen. Zudem wird der umfangreiche Informationsgehalt für die Abstimmenden nur schwer nachvollziehbar bzw. kommunizierbar sein.
Wir kommen für die Revision der Energiestrategie zu folgenden Schlüssen:
Wir benötigen quantitative Zielsetzungen per 2050 für die Hauptziele Versorgungssicherheit und Klimaneutralität, die faktenbasierend den gesamten Veränderungsbedarf bei Verbrauch und Produktion festhalten, weil sonst unklar bleibt, welches die tatsächlich richtigen und nötigen Massnahmen für die erfolgreiche Transformation sind.
Wir benötigen einen Plan bis 2050, weil andernfalls die Priorisierung und Abstimmung der einzelnen Massnahmen nicht gesamtoptimiert auf die letztlich zu erreichenden Zielsetzungen Versorgungssicherheit und Klimaneutralität erfolgen und diese zusätzlich bereits heute eingeleitet werden müssen, damit die Zielerreichung realistisch ist.
Wir benötigen strategische Stossrichtungen pro relevantem Stakeholder (Private/Haushalte, Firmen, staatseigene Unternehmen und Behörden & Verwaltung) mit dem an ihn gestellten Erwartungen und seine nötigen Beiträge, weil sonst seine Verbindlichkeit unzureichend ist und der gesamte Veränderungsbedarf unklar bleibt.
Im Folgenden legen wir diese Erkenntnis dar. Die Grundlage dazu ist der Revisionsentwurf der Energiestrategie des Kantons Aargau in der Version 2025. Dieses Dokument enthält die detaillierte Strategie im Revisionsentwurf. Unsere Grundempfehlung bezieht sich primär darauf.
Roland Voser, 27. Mai 2025
Inhalt.
Grundempfehlung zur Energiestrategie des Kantons Aargau.
Revision Energiestrategie energieAARGAU2025
1. Wieso diese Grundempfehlung?
2. Was ist die Motivation für die Energiestrategie?
3. Der Veränderungsbedarf im Kanton ist erheblich.
4. Was wäre die passende Struktur der Energiestrategie?
Summary.
Die Projektbeteiligten haben die Revision der Energiestrategie für den Kanton Aargau energieAARGAU2025 sehr umfassend und gut strukturiert erarbeitet. Sie haben einen hohen Stand erreicht.
Die Vielfalt der Informationen ist für Aussenstehende und später den Souverän nur sehr schwer überzeugend kommunizierbar. Sie wirken verwirrend, Studienaussagen sind oft nicht sofort belastbar und bestimmen oft zu stark den Diskurs. Die Durchgängigkeit von Vision, Zielen, Handlungsfeldern und Massnahmen leidet wohl aufgrund der Kompatibilität mit der Ausgangsstrategie von 2015 oder ist nicht auf den ersten Blick erkennbar. Auch wenn die Massnahmen zweifellos in die richtige Richtung gehen, ist letztlich unklar, ob sie für eine verträgliche Energiewende reichen werden.
Die revidierte Energiestrategie läuft möglicherweise Gefahr, dass ihr so der Gesamtkontext abhanden kommt, Detaildiskussionen sie schwächen, die Erwartungen an die wesentlichen Beitragenden zu wenig verdeutlicht werden (Private/Haushalte, Firmen, staatseigene Unternehmen) und damit die nötige Verbindlichkeit für eine überzeugende Energiewende geschwächt wird.
Dies läuft der neu in den Vordergrund gerückten zukunftsorientierten Anforderung nach einem resilienten Energiesystem Schweiz entgegen, das klug dezentrale und zentrale Energieproduktion kombiniert. Erst Dank dem könnte die Schweiz dem grössten Krisenereignis – der Strommangellage – mit der nötigen Autonomie erfolgreich entgegentreten und gleichzeitig ihre nötige umwelt- und gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnehmen.
Dabei ist der Gesamtveränderungsbedarf des Kantons Aargau erheblich: Der Verbrauch im Kanton Aargau muss sich im Jahr 2050 gegenüber heute um 7.75 TWh reduzieren und damit halbieren und gleichzeitig die Stromproduktion aus Erneuerbaren um 4.05 TWh erhöhen und damit verdoppeln. Darin nicht enthaltener Mehrverbrauch, z.B. aufgrund verfehlter Sparziele oder zu frühem Kernkraftausstieg, muss durch zusätzliche Produktion Erneuerbarer abgedeckt werden. Erst dann sind im Jahre 2050 Versorgungssicherheit und Klimaneutralität garantiert.
Die Gesamtsicht bis 2050 wird jetzt zwingend nötig. Ohne kann tatsächlich die Energiewende an sich gefährdet sein. Bei unzureichender Wirkung der Energiestrategie könnten sich daraus mittelfristig negative Auswirkungen auf Wohlstand, gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirtschaftliche Entwicklung des Energiekantons Aargau ergeben.
Empfehlung: Die anstehende Revision energieAARGAU2025 soll wie folgt vervollständigt werden:
Die Energiestrategie soll sich ausschliesslich auf die zwei wesentlichen Vorgaben – Versorgungssicherheit und Klimaneutralität – konzentrieren und sich bei allen Strategieeckpunkten konsequent auf den sich damit ergebenden Veränderungsbedarf ausrichten und dazu genügend wirkungsvolle Massnahmen einleiten.
Sie soll alle relevanten Beitragenden an einer erfolgreichen Energiewende in strategischen Stossrichtungen benennen (Private/Haushalte, Firmen, staatseigene Unternehmen, Behörden/Verwaltung) und damit die Verbindlichkeit für die Energiewende deutlich verstärken.
Ein starker Fokus auf die Stakeholdergruppe Private/Haushalte (Stromkonsumenten und/oder Betreiber kleiner PV-Anlagen) soll die Akzeptanz der Energiestrategie und damit insgesamt die Erfolgschance der Energiewende signifikant erhöhen.
Mit einem griffigen energieAARGAUfahrplan soll die nötige Transparenz über Energieverbrauch, Energieproduktion, Investitionen, Wirtschaftlichkeit über die Meilensteine und Etappen von 2030 bis 2050 geschaffen und daraus der für die Energiewende tatsächlich entscheidende Zeitraum gesteuert werden.
1. Wieso diese Grundempfehlung?
Der Kanton Aargau revidiert seine Energiestrategie.
Die Rahmengebung der bestehenden Aargauer Energiestrategie energieAARGAU2015 geht vom Bund (unter anderem Energiestrategie 2050) und zahlreichen weiteren Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren aus (beispielsweise Energiegesetz, Ukraine-Krieg). Die Informationslage ist insbesondere für Aussenstehende unübersichtlich und anspruchsvoll.
Die Monitoring-Berichte 2020 und 2024 haben den Erreichungsgrad von energieAARGAU2015 erhoben. Daraus ergibt sich der Revisionsbedarf der aktuell gültigen Energiestrategie energieAARGAU2015 und mündet mit neuen oder veränderten Einflussfaktoren in die revidierte Energiestrategie energieAARGAU2025. Dieser Prozess ist nun mit der Anhörung im Gange. Die Energiestrategie soll im Jahre 2025 vom Grossen Rat des Kantons Aargau verabschiedet werden.
Der Autor ist gerne Aargauer und gibt ergänzende Rückmeldung.
Der Autor ist im Kanton Aargau aufgewachsen, hat bei BBC Brown Boveri in Baden gelernt und sein Elektroingenieur-Studium an der ehemaligen HTL Brugg-Windisch abgeschlossen. Er ist Teilhaber am kleinen und ebenfalls im Kanton Aargau ansässigen Beratungsunternehmen smartmyway ag. Es ist ihm ein grosses Anliegen, dass sich sein Heimatkanton weiterhin positiv weiterentwickelt. Er leistet dazu anlässlich der Anhörung gerne seinen Beitrag.
Mit 3 kleineren PV-Anlagen und Elektroautos hat er über die Jahre hinweg eigene praktische Erfahrungen gesammelt. Er bringt die Sicht von Stromkonsumenten und PV-Produzenten in die Diskussion ein. Heute arbeitet er als Strategie- und Managementberater.
Der Anhörungsprozess läuft unabhängig davon.
Die folgenden Feststellungen erfolgen aus Aussensicht und zielen konstruktiv darauf ab, entscheidende Lücken in der strategischen Ausrichtung sichtbar zu machen und die Erfolgschancen zu erhöhen – nicht darauf, den aktuellen Arbeitsstand oder den Anhörungsprozess infrage zu stellen.
Möglicherweise ist diese übergeordnete Empfehlung zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu berücksichtigen. Jedoch könnte sie für die Weiterentwicklung der Strategie als impulsgebende Orientierung dienen.
Die Stellungnahme zur Revision der Energiestrategie erfolgt unabhängig davon separat mittels Beantwortung des Online-Fragebogens.
2. Was ist die Motivation für die Energiestrategie?
Energiestrategie soll Versorgungssicherheit ins Zentrum stellen.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz positioniert die Strommangellage als kritischstes und folgenreichstes Krisenereignis für die Schweiz (siehe Bild Alertswiss, nationale Risikoanalyse 2020). Die Energiestrategie muss demnach die Strommangellage konsequent prioritär behandeln, weil ihr Schaden immens wäre.
Quelle: BAB - Nationale Risikoanalyse 2020.
Eine Strommangellage ist vorhersehbar. Ein Blackout hat gleiche Wirkungen wie die Strommangellage («es hat zu wenig Strom»), ist aber ungeplant und provoziert damit zusätzlich chaotische Zustände. Strommangellage und Blackout sind für die Bevölkerung selbsterklärend und einfach nachvollziehbar. Alle Interessengruppen sind sich einig, dass diese Ereignisse in jedem Fall vermieden werden müssen. Dies kann die Akzeptanz der Energiestrategie begünstigen.
Die Energiestrategie soll diese Ereignisse in den Mittelpunkt stellen und muss folglich die nötigen Vorkehrungen treffen, damit
eine Strommangellage verhindert wird und
ein Blackout möglichst verträglich gehandhabt werden kann.
Energie im Allgemeinen ist das Blut der Gesellschaft und zwingende Voraussetzung für
den umfassenden Wohlstand in einem gesunden Lebensraum,
den sozialen Frieden einer freien und offenen Gesellschaft und
jede weitere positive qualitative und quantitative Entwicklung der Schweiz in der Weltgemeinschaft.
Unter dem Stichwort «VUCA» wird erklärt, dass die moderne Welt zunehmend dynamischer und unvorhersehbarer wird. Damit ist der «Normalfall» eine abgeschwächte Form einer «Ausnahmesituation». Eine Strategie muss sich im vorliegenden Fall auch von diesem Standpunkt aus auf die Ausnahmesituation ausrichten und damit den Normalfall mit abdecken.
Es benötigt überzeugende Energiekonzeptideen.
Die umweltverträgliche Minimierung von Risiken bedeutet auch im Normalfall in erster Linie die Reduktion von Abhängigkeiten und Komplexität. Bezogen auf Energie, schlussfolgert dies prinzipiell eine möglichst unabhängige Grundversorgung auf allen Stufen (Haushalte, Unternehmen, Gemeinden, Kantone, Bund). Die Energiestrategie soll Einfachheit verfolgen, um damit ihre Erfolgschance zu erhöhen.
Schlüssige und überzeugende Konzeptideen sind für die Identifikation und Verbindlichkeit der Beteiligten eine wichtige Voraussetzung. Solche Energiekonzeptideen sollen verständlich und gut kommunizierbar sein, Beispiele:
«Die Energie dort produzieren, wo sie verbraucht wird.»
«Mit einer klug ausgewogenen Kombination von dezentraler und zentraler Energieproduktion und
-speicherung soll das Energiesystem Schweiz die nötige Widerstandsfähigkeit («Resilienz») im globalen, zunehmend unsicherer werdenden Kontext aufweisen.»«Alle Akteure sorgen in ihrem Einflussbereich für die nötigen Energiespeicher.» .
3. Der Veränderungsbedarf im Kanton ist erheblich.
Planungshorizont Heute – 2050.
Die Einflussfaktoren auf den Kanton Aargau und die damit einhergehenden Rahmenbedingungen formulieren den Veränderungsbedarf, den die Energiestrategie bis 2050 zu bewältigen hat. Die Situation im Kanton Aargau ist speziell herausfordernd, weil zusätzlich zur Ablösung der Fossilen auch der Kernkraftausstieg hinzukommt. Dazu die folgende Bestandesaufnahme:
Der Energieverbrauch des Kantons Aargau beträgt gemäss Revision der Energiestrategie (Seite 31) im Jahre 2023 (Ausgangspunkt für «Heute-Betrachtung»):
Fossile 7.75 TWh
Elektrizität 4.6 TWh
Klimaneutrale 3.15 TWh (Holz, Fernwärme etc.)
Total 15.5 TWh
Die Energieproduktion des Kantons Aargau (ausschliesslich in Form von Strom) beträgt im gleichen Zeitraum:
15.4 TWh aus Kernkraft
3.7 TWh aus Erneuerbaren
Total 19.1 TWh
Der Kanton Aargau sieht sich mittelfristig mit einschneidenden Vorgaben konfrontiert:
Auf der Verbrauchseite sollen zur Sicherstellung der Klimaneutralität die Fossilen mit 7.75 TWh entweder eingespart oder mit Erneuerbaren aus Strom ersetzt werden.
Auf der Produktionsseite soll aufgrund der Energiestrategie 2050 die Kernkraft mit 15.4 TWh entweder eingespart oder mit Erneuerbaren aus Strom ersetzt werden. Damit fällt auch der Anteil der Kernkraft für die Schweiz von rund 20% aus Aargauer Kernkraftwerken weg und ist in den bisherigen Nutzerkantonen anderweitig zu ersetzen.
Die strategische Zielsetzung für die Energiewende bis 2050 heisst folglich: Der Verbrauch im Kanton Aargau muss sich um 7.75 TWh reduzieren und damit halbieren, und gleichzeitig muss sich die Stromproduktion aus Erneuerbaren um 4.05 TWh erhöhen und damit verdoppeln.
Damit steht der Kanton vor einer existenziellen Veränderung. Der Veränderungsbedarf ist erheblich. Die Energiestrategie soll die Voraussetzung schaffen, damit diese Veränderung möglichst verträglich erfolgen kann. Damit erhalten «Versorgungssicherheit» und «Klimaneutralität» erste Priorität und sollen in der Struktur der Energiestrategie den roten Faden bilden.
Gegenüberstellung Energieverbrauch und Energieproduktion und der sich daraus ergebende Veränderungsbedarf (Differenz).
Planungshorizont 2035 – 2050.
Die folgende Übersicht zeigt energieAARGAU2025 und ihre Hauptziele 2 und 3 in der Gegenüberstellung zu den effektiv per 2050 zu erreichenden Zielen (Klimaneutralität und Kernenergieausstieg).
Die Ablösung der Fossilen wird zum Schlüsselfaktor: Je mehr Fossile mit Erneuerbaren abgelöst werden können, umso weniger muss die Stromeinsparung bzw. die Steigerung der Stromeffizienz einbringen. Gleichzeitig verlagert sich in diesem Fall der Bedarf an Erneuerbare, die zusätzlich zu produzieren wären.
Wenn über 10 Jahre 0.5 TWh Strom eingespart werden können, sind vielleicht nochmals 1 TWh über die darauffolgenden 15 Jahre bis 2050 möglich. Dieser relativ kleine Effekt bedeutet im Umkehrschluss, dass der Schlüssel der Energiestrategie in der Ablösung der Fossilen und damit in der Bereitstellung des Mehrbedarfs an erneuerbarem Strom liegen muss. Der gesunde Menschenverstand folgert daraus, dass mindestens 1-2 Kernkraftwerke alleine für den Kanton Aargau im Einsatz bleiben müssen. Gleichzeitig sind für die verdreifachten Erneuerbaren Speicher in TW-Grösse erforderlich.
Dies stellt das wahrscheinlichste Szenario dar, mit dem sowohl Klimaneutralität und Versorgungssicherheit im Kanton Aargau gewährleistet werden können. Andernfalls sind einschneidende Einschränkungen in der Gesellschaft zu erwarten. Nicht betrachtet bleiben in der vorliegenden Diskussion die Folgen für den Rest der Schweiz, weil genügend bestehende Kernkraftwerke so oder so fehlen würden.
Einbezug der quantitativen Zielsetzungen aus dem Revionsentwurf in den Gesamtkontext und dem daraus erhobenen noch offenen Defizit zur Zielerreichung bis 2050.
4. Was wäre die passende Struktur der Energiestrategie?
Der existentielle Veränderungsbedarf erfordert den konsequent gleichen Fokus aller Beteiligten, insbesondere der Bevölkerung. Die Strategieeckpunkte sollen daher einfach, verständlich, einprägsam, durchgängig und gut kommunizierbar sein. Alle strategischen Elemente sollen auf die strategischen Ziele einzahlen und dort direkte Wirkung erzielen.
Die Ausrichtung der strategischen Stossrichtungen nach den Beitragenden fördert deren Identifikation und ist für ihre nötige Verbindlichkeit einer erfolgreichen Strategieumsetzung Voraussetzung.
Vision/Claim:
«energieAARGAU ist versorgungssicher und klimaneutral.»
Mission:
«energieAARGAU garantiert die nachhaltige Zukunft unseres Kantons.»
Strategische Ziele qualitativ:
«Energieversorgungssicherheit garantiert»
«Klimaneutralität garantiert»
Strategische Ziele quantitativ:
«Stromverbrauch Stand 2023 bis 2050 halbiert.»
«Stromproduktion Stand 2023 bis 2050 aus Erneuerbaren verdoppelt.»
«Nicht realisierte Einsparungen oder ungeplanter Mehrbedarf durch zusätzliche Erneuerbare abgedeckt.»
Strategische Stossrichtungen:.
Beinhalten die Energiekonzeptideen („strategische Absicht“), die direkt auf die quantitativen strategischen Ziele wirken.
Sollen auf die Beitragenden ausgerichtet sein: Private & Haushalte, Firmen & Industrie, staatseigene Unternehmen, Behörden & Verwaltung, andere.
Beispiel Private & Haushalte:
«Dezentralen Energieverbrauch mit dezentraler nachhaltiger Produktion abdecken und damit Netze trotz Bevölkerungswachstum stabilisieren.»
...
Strategische Erfolgsfaktoren:
Ausräumen der grössten Hinderungsfaktoren der strategischen Stossrichtungen wie Stromspeicherung, Ablösung Fossile, Fortführung KKW, Strompreispolitik, Steuerpolitik, Förderpolitik, Fachkräfte, Netzkapazitäten, fossile Reservekraftwerke, Bevölkerungswachstum, Versorgungssicherheit, etc.
Beispiel: «Saisonale Speicherung ist gelöst.»
Strategische Etappierung:
Strategische Etappierung der Stossrichtungen mit dem geplanten Veränderungsbedarf im Hinblick auf die strategischen Ziele dienen dem strategischen Monitoring.
Strategische & operative Massnahmen:
Massnahmen pro Stossrichtung mit Investitionen, Wirtschaftlichkeit, Förderung, Antiförderung, Beitragenden, Beteiligten, etc.
5. Wozu ein Energiefahrplan?
Der energieAARGAUfahrplan soll zeigen, wohin die Reise geht.
Die bisherige Etappierung der Energiestrategie ist sinnvoll. Neu sollen alle Folgeetappen bis 2050 mit aufgeführt werden, damit der ganze Kontext sichtbar und der gesamte Veränderungsbedarf mit geeigneten Massnahmen gedeckt wird. Mit dem damit erzielten frühen Blick für Friktionen wird die Erfolgschance der Energiewende entscheidend erhöht.
Die Energiestrategie soll im energieAARGAUfahrplan darstellen, über welche 5 Meilensteine und 5 Etappen die Reise hin zur Energiewende geht.
Die Revision hat den Zeithorizont bis 2035 und überwacht mittels Monitoring diese Etappe. Der Gesamtkontext ist jedoch nicht im Scope.
Klarheit auf einen Blick, was sich ändern soll.
Für jeden Meilenstein sollen die Nachfrage- und Produktionseckwerte für den Kanton Aargau begründet dargestellt sein. Es muss auf einen Blick für jeden Meilenstein klar sein, was sich über die Meilensteine und im Ganzen verändern soll.
Wie gross ist die voraussichtliche Nachfrage im Kanton nach den Energieträgern (Treibstoffe, Elektrizität, Gas, Erdölbrennstoffe, andere) von Endverbrauchern (Haushalte, Industrie, Dienstleistungen, Verkehr, andere)?
Wie gross ist die voraussichtliche Produktion im Kanton von den Elektrizitätsenergieträgern (Wasserkraft, Kernkraft, Photovoltaik, Windkraft, andere), und von wem sollen sie produziert werden (Private, Firmen, staatseigene Unternehmen, andere)?
Mit welchen überzeugenden Energiekonzeptideen und Begründungen?
Das Strategie-Monitoring orientiert sich an diesen Eckwerten, stellt im Strategie-Controlling Soll und Ist einander gegenüber und lanciert daraus die nötigen Korrekturmassnahmen.
6. Wie die Erfolgschance der Energiestrategie erhöhen?
Erst das Orchester macht die Musik.
Die vorliegende Revision der Energiestrategie des Kantons Aargau energieAARGAU2025 konkretisiert im Hauptziel 4 und im Handlungsfeld 8 die Belange der kantonalen Behörden/Verwaltung. Sie versteht sich in der Rolle als Vorbild bei der Anpassung der eigenen Infrastruktur und Schafferin von Voraussetzungen für die Erreichung der Zielvorgaben.
Sie benennt die anderen relevanten Beitragenden nicht im gleichen konkreten Masse (Private/Haushalte, Firmen, staatseigene Unternehmen). Es ist unklar, was die konkreten Erwartungen an diese Beitragenden sind, damit die Energiewende gelingen kann. Mit der vorliegenden Grundempfehlung kann dieses Defizit kompensiert werden.
Aktuell entsteht folgender Eindruck: Ein Komponist schreibt für ein Orchester nur die Partitur der Bässe, und für die Aufführung hoffte er, dass die anderen Instrumente und Stimmen ohne integrale Anhaltspunkte perfekte Beiträge liefern und alle gemeinsam ein überzeugendes Konzert aufführen werden. Für eine erfolgreiche Energiewende wirkt dieses Ansinnen zumindest aus Aussensicht zu unverbindlich.
Verdeutlichung der relevanten Stakeholdergruppen für die Energiestrategie. Darstellung der Übereinstimmung des Souveräns mit der Stakeholdergruppe “Private & Haushalte”.
Die Energiewirtschaft ist systemrelevant.
Wenn ferner die Verantwortung für die Versorgungssicherheit bei der staatseigenen Energiewirtschaft liegt, muss die kantonale Energiestrategie aufgrund des erheblichen Veränderungsbedarfs strategisch koordinierend wirken und mit Vorgaben die Ausrichtung der Energiewirtschaft beeinflussen (nötigenfalls formell über den Verwaltungsrat).
Dies, weil die Energiewirtschaft offensichtlich systemrelevant ist (siehe Einordnung BABS). Das heisst, dass die Energiewirtschaft als systemrelevanter Akteur in jedem Falle eine zentrale Rolle bei der Umsetzung erhält. Der Energiewirtschaft wurde gemäss Energiegesetz die Verantwortung für die Versorgungssicherheit übertragen, sie wurde in diesem Zuge jedoch nicht vom Gesamtkontext der kantonalen Energiestrategie entkoppelt.
Die Defizite der Energiestrategie 2050 haben Folgen.
Die Energiestrategie 2050 operationalisierte zentrale Herausforderungen wie Speicherung, Netzkapazitäten oder Ablösung der Fossilen unzureichend und liess damit wesentliche Problemstellungen unbeantwortet (siehe strategische Erfolgsfaktoren).
Dies hat über die Jahre zu einer wenig hilfreichen Polarisierung in der Energiepolitik geführt, die die breite Akzeptanz in der Bevölkerung für die nötigen Veränderungen der Energiewende schwächt.
Gleichzeitig stellen diese unvollständigen Vorgaben offensichtlich nach wie vor Rahmenbedingungen für die Aargauer Energiestrategie dar, was gleichzeitig die Erfolgschance der kantonalen Energiestrategie reduzieren kann. Die kantonale Energiestrategie muss also zusätzlich diese Hinderungsfaktoren neutralisieren und die breite Akzeptanz wieder schaffen. Es ist ein neues Momentum und ein selbstbewussterer Diskurs mit dem Bund erforderlich.
Die korrekte Optik fördert Akzeptanz.
Behörden und Verwaltung unterstehen dem Souverän. An der Urne entscheiden also in der Regel «kleine» Stromkonsumenten und -produzenten über die grossen Energiegeschäfte. Behörden und Verwaltung haben im Auftrag des Souveräns die Versorgungssicherheit sicherzustellen. Das ist durchaus die korrekte Optik für die Energiestrategie im Hinblick auf eine Abstimmung.
Die Energiestrategie ist dann erfolgreich, wenn sie bei den Menschen ankommt und bei ihnen positiv wirkt. Positiv wäre beispielsweise bei Privaten/Haushalten ein günstigerer Strompreis und genügend Strom. Positiv wären einfachste Abläufe und Bedingungen bei der Förderung und Realisierung von kleinen PV-Anlagen.
Die Akzeptanz erhöht sich beim Souverän, wenn die Strategieziele einfach verständlich sind und direkt bei Privaten/Haushalten wirken. Indirekt wirkende Ziele helfen dabei ungenügend. Lenkung läuft Gefahr, als Gängelung empfunden zu werden. Dies ist bei der eigenverantwortlichen Grundhaltung der Schweizer Bevölkerung speziell zu berücksichtigen.
7. Was ist das Fazit und die Empfehlung?
Die Energiestrategie soll sich beschränken.
Aufgrund des erheblichen Veränderungsbedarfs muss sich die Energiestrategie auf die wesentlichen Vorgaben – Versorgungssicherheit und Klimaneutralität –beschränken, weil sonst die Erfolgschance für die Energiewende zu klein ist. Die Strategieableitung soll sich ausschliesslich und stringent auf diese beiden Ziele konzentrieren und dabei auf die Beitragenden Private & Haushalte, Firmen & Industrie, staatseigene Unternehmen und Behörden & Verwaltung fokussieren, damit die Verbindlichkeit in der Strategieumsetzung möglichst hoch wird.
Starker Fokus auf Stakeholder-Gruppe der Privaten/Haushalte.
Die Energiestrategie soll mit der dargestellten ganzheitlichen Betrachtung vervollständigt werden und die positive Wirkung bei den Menschen hervorheben. Die stimmberechtigte Bevölkerung ist der Souverän und letztlich impliziter Auftraggeber der Energiestrategie.
Diese Stakeholder-Gruppe wäre in geeigneter Form (z.B. mittels Umfragen) bereits in die Erarbeitung der Energiestrategie einzubeziehen. Auf sie sollen die primären Wirkungsziele der Energiestrategie ausgerichtet sein.
Zuerst Konzentration auf eine umweltverträgliche Versorgungssicherheit.
Im Vordergrund soll ein resilientes Energiesystem stehen, das zuerst dezentrale und zentrale Energieproduktion klug kombiniert und damit mit Fokus auf die Versorgungssicherheit die Grundlage für die weiteren Entwicklungsschritte schafft, die unternommen werden, sobald diese Basis erfolgreich erprobt ist und sich genügend bewährt hat. Versorgungssicherheit ist das Thema, das am ehesten einen gemeinsamen Nenner aller Interessengruppen aufweist.
Die Energiestrategie energieAARGAU2025 soll nicht alle Bereiche miteinander in Angriff nehmen, sondern in agiler Weise die grossen Themen in sinnvollen Etappen aufeinander abstimmen, diese dann jeweils möglichst unabhängig voneinander konzeptionieren, austesten/pilotieren, korrigieren, integrieren und weiter ausbauen. Die dynamischen globalen Verhältnisse und permanenten technologischen Veränderungen erfordern heute, insbesondere auch in der strategischen Vorgehensweise, die nötige laufende Anpassungsfähigkeit mittels kontinuierlicher Entwicklung/Realisierung.
Andernfalls ist die Erfolgschance des Vorhabens für die Energiewende ungenügend (analog grosser IT-Projekte).
Mit griffigem energieAARGAUfahrplan überzeugen.
Der Energiekanton Aargau hat eine Vorbildwirkung unter den Schweizer Kantonen inne. Er soll seine Interessen/Anregungen zu den nationalen Vorgaben gegenüber dem Bund verstärkt proaktiv darlegen und die kritischen Unzulänglichkeiten bei den Schlüsselerfolgsfaktoren deutlich benennen.
Er soll für den Kanton einen energieAARGAUfahrplan vorlegen, der transparent und überzeugend die Energiewende im Kanton Aargau mit «energieAARGAU ist versorgungssicher & klimaneutral» realisieren lässt.
Diese Strategie wird als Gegenentwurf zur normalerweise praktizierten Kaskade Bund-Kantone-Gemeinde wahrgenommen werden. Sie kann schweizweit den nötigen Energiewende-Dialog neu lancieren und damit den föderalen Innovationsmechanismus aktivieren. Im Kanton kann sie identitätsstiftend und motivierend wirken.
Die Energiestrategie energieAARGAU2025 soll als Orientierung für andere Kantone dienen und sie in diesem Sinne zur Mitwirkung motivieren. energieAARGAU2025 kann so nicht nur Strategie, sondern Signal sein – für eine echte, machbare und erfolgreiche Energiewende.
Watt es jetzt braucht.
Die Anhörung zur neuen Energiestrategie 2025 im Kanton Aargau ist abgeschlossen. Während draussen zwei Stromer friedlich in der Tessiner Sonne laden, glüht drinnen die Kommentarspalte der AZ – und liefert ein Kabarett, das hier eigentlich fehl am Platz ist.
(c) 2025: Cademario, Malcantone, Kanton Tessin, Schweiz, Foto: Roland Voser
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Seit 2018 Chief Editor, Mitbegründer, Verwaltungsrat und Teilhaber von smartmyway, Autor, Coach, Mentor und Berater. Vorher als Geschäftsführer von Media Markt E-Commerce AG, Media Markt Basel AG, Microspot AG sowie in den Geschäftsleitungen von Interdiscount AG und NCR (Schweiz) AG tätig. Heute Digital Business Coach und Schreiberling.
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